Würzburg (POW) „Mein Besuch soll auch dazu dienen, um zu überlegen, was wir tun können, um den Menschen hier zu helfen.“ Das hat Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Besuch der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft am Donnerstag, 15. September, in Würzburg betont. Auf Einladung des unterfränkischen Regierungspräsidenten Dr. Paul Beinhofer machte er sich selbst ein Bild davon, wie Flüchtlinge und Asylbewerber untergebracht und behandelt werden. Begleitet wurde er dabei vom Caritasvorsitzenden Domkapitular Clemens Bieber und Stadtdekan Domkapitular Dr. Jürgen Vorndran.
Mit 450 Plätzen, die alle belegt sind, ist die Würzburger Einrichtung die größte ihrer Art in Unterfranken. Die dort lebenden Menschen – 62 von ihnen sind Kinder – kommen aus 40 Nationen, wobei die meisten aus den Krisengebieten Irak, Iran und Afghanistan sowie den Ländern am Horn von Afrika wie Somalia und Äthiopien stammen, stellte der Regierungspräsident seinem Gast die Einrichtung vor. Beinhofer dankte dem Caritasverband und den über einem Dutzend – meist kirchlichen und ehrenamtlichen – Initiativen, die sich um die Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft kümmern. Lobend erwähnte er auch die Missionsärztliche Klinik, die sich seit Jahren intensiv und vielfach kostenlos um die medizinische Betreuung der dort lebenden Menschen kümmert. Vertreter der Katholischen Hochschulgemeinde, des ökumenischen Asylarbeitskreises, der Gemeinschaft Sant‘Egidio, von Amnesty international, dem Kinderschutzbund und dem Freundeskreis für ausländische Flüchtlinge stellten ihre Arbeit vor.
Dabei kritisierten sie vor allem die Probleme bei der Integration asylsuchender Menschen. Es sei tatsächlich politischer Wille der Staatsregierung, dass die Menschen, deren Asyl nicht anerkannt werde, Deutschland bald wieder verlassen und keine Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse, Beschulung der Kinder oder Qualifizierungsmaßnahmen für Erwachsene in Anspruch nehmen, räumte Beinhofer ein. Die Anerkennungsquote der Asylbewerber liegt bundesweit nur bei einem Prozent. Tatsächlich bleiben aber weit über 25 Prozent aller Asylsuchenden in Deutschland, da sie aus politischen Gründen oder wegen drohender Verfolgung nicht abgeschoben werden dürfen. Ihr Aufenthalt in Deutschland könne dann viele Jahre dauern, sagte Ursula Kalb von der Gemeinschaft Saint‘Egidio, die Sprachkurse anbietet. Sie kenne Familien, die trotz fehlender Asylanerkennung nicht wie vorgesehen maximal zwei Jahre in der Gemeinschaftsunterkunft lebten, sondern bis zu 15 Jahre. Es dürfe nicht sein, dass solchen Menschen alle Integrationsmöglichkeiten verwehrt werden. Besonders Familien, mahnten Ursula Kalb und Studentenpfarrer Burkard Hose von der Katholischen Hochschulgemeinde, litten darunter, wenn sie jahrelang ohne Zukunftsperspektiven in engen Räumlichkeiten und einem bunten Völker- und Kulturgemisch leben müssten. Den Mitarbeitern in der Würzburger Einrichtung wollten sie dafür keine Schuld geben, sie müssten die Vorgaben und Rahmenbedingungen aus München erfüllen.
Ein weiteres Problem, waren sich alle einig, sind sogenannte Fehlbeleger, die aus der Gemeinschaftsunterkunft herausziehen dürften, jedoch in Würzburg keinen privaten Wohnraum finden. Einige dieser Familien – 48 Personen sind es aktuell – seien seit Jahren verzweifelt auf der Suche nach einer Wohnung. „Wir müssen diesen Menschen hier mehr helfen“, war das Resümee von Bischof Hofmann, der den langen Verbleib der Menschen in der Gemeinschaftsunterkunft als sehr problematisch ansah. „Sie dürfen uns nicht gleichgültig sein.“ Und er fragte, ob die Gesetzgebung hier immer richtig sei. „Darüber sollten wir mit Politikern reden.“ Den ehrenamtlichen Initiativen, deren Arbeit ihn sehr beeindruckt hatte, dankte er ausdrücklich für ihr Engagement.
Zum Abschluss besuchte Bischof Hofmann einige Beratungsstellen in der Gemeinschaftsunterkunft. Die Caritas unterhält dort beispielsweise eine Flüchtlingsberatung, eine Bibliothek, das Qualifizierungsprogramm „Future steps“, das Flüchtlingen Computerkenntnisse oder handwerkliche Fähigkeiten vermittelt, und sie betreibt zusammen mit dem Roten Kreuz eine Rückkehrberatung für Flüchtlinge, die in ihre Heimatländer zurückkehren möchten. Eng zusammen und auf einfachen Holzstühlen saßen Bischof und Regierungspräsident im dunklen Flur vor den Büros der Flüchtlingsberatung. „Das vermittelt Ihnen ganz gut die Situation, in der sich unsere Klienten immer befinden“, sagte Rainer Jäckel, Flüchtlingsberater der Caritas. Neben einer Küche und Unterrichtsräumen konnte der Bischof auch zwei Wohnungen besichtigen, in die ihn ihre Bewohnerinnen aus Äthiopien und Somalia einluden.
Im kleinen Kreis besuchten Bischof Hofmann und Regierungspräsident Beinhofer anschließend auf Vermittlung von Pastoralreferent Rainer Behr eine libanesische Flüchtlingsfamilie in Würzburg. Behr und seine Frau Theresia, die über den ökumenischen Asylkreis der Kuratie Heilig Geist nahe der Gemeinschaftsunterkunft Flüchtlinge betreuen, kennen die Familie Najm seit vielen Jahren. Acht Jahre lebte die fünfköpfige Familie ohne jegliche Barmittel in Gemeinschaftsunterkünften, die letzten fünf in Würzburg. Seit Mai bewohnt sie eine Wohnung des Sankt Bruno-Werkes in der Sanderau. Ein Lottogewinn, findet die 20-jährige Tochter Maria. Der Krieg und die Hisbollah hat sie aus ihrer Heimat im südlichen Libanon vertrieben. Der 51-jährige Vater und seine beiden Söhnen im Alter von 25 und 26 Jahren dürfen ihre Heimat nicht mehr betreten, sie haben den Dienst an der Waffe verweigert und gelten seitdem als fahnenflüchtig. Die Familie fühlt sich den Umständen entsprechend gut integriert. Die Mutter arbeitet in der Küche eines Altenheims, der Vater – ein gelernter Heizungs- und Wasserinstallateur – in einer Putzfirma, ein Sohn hat eine feste Stelle in einer Gärtnerei.
Flüchtlingsfamilien in privaten Wohnräumen unterzubringen funktioniere nur, wenn sie ehrenamtlich begleitet würden, erklärte Frank Hermann, geschäftsführender Vorstand des Sankt Bruno-Werkes. Sprachbarrieren und Probleme bei den Behördengängen seien für sie ansonsten zu hoch. Das Bruno-Werk sei auch bereit, sich um die Unterbringung weiterer Familien zu kümmern, sagte er, doch dazu müsste freier Wohnraum vorhanden sein. Der Druck auf dem Wohnungsmarkt sei in Würzburg jedoch sehr hoch. Rainer Behr bestätigte Hermanns Einschätzung. In Heilig Geist kümmere sich der Asylkreis ehrenamtlich um viele Flüchtlinge. „Das ist jedoch nicht im ganzen Stadtgebiet möglich. Diese Aufgabe muss auf Dekanatsebene gestemmt werden“, sagte er unter Zustimmung des anwesenden Stadtdekans Vorndran. Der Familie Najm, die ihre Gäste mit süßem libanesischen Gebäck und Tee bewirtete, wünschten Bischof Hofmann und Regierungspräsident Beinhofer, dass sie in Zukunft immer ohne Ängste dort wohnen könne, wo sie es möchte.
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