Würzburg (POW) Weihnachten ist für viele Menschen purer Stress. Zum Fest soll möglichst alles harmonisch sein, das erfordert viel Arbeit in der eigentlich besinnlichen Adventszeit. Oberin Katharina Merz (48) hat in ihrer Zeit im Kloster eine andere Sicht auf Weihnachten bekommen. Außerdem erläutert sie im folgenden Interview, wie in der Schule der Ursulinen dafür gesorgt wird, dass die Schülerinnen sich bewusst auf Weihnachten einstellen können.
POW: Schwester Katharina, welchen Stellenwert hat das Weihnachtsfest in Ihrem Leben?
Schwester Katharina Merz: Allgemein schon einen sehr hohen, wobei es für mich persönlich nicht ganz so einfach ist. Als ich acht Jahre alt war, ist mein Vater an Heiligabend ins Krankenhaus gekommen und am zweiten Weihnachtstag gestorben. Weihnachten ist für mich also auch belastet. Aber grundsätzlich ist es natürlich das Fest, auf das sich alle freuen. Man wartet auf die Geschenke.
POW: Wie haben Sie früher Weihnachten gefeiert, und welche Kindheitserinnerungen haben Sie ans Fest?
Schwester Katharina: Wir haben mit der Familie zusammen am Tisch gesessen und zu Abend gegessen. Mein jüngster Bruder war dabei schon ganz unruhig und hätte am liebsten ein Loch in die Wand gemacht, um die Geschenke zu sehen. Meine Mutter hat dann nach dem Essen einen Kerzenleuchter mit Glöckchen angezündet. Wenn der sich drehte und die Glöckchen klingelten, war das Christkind da, und wir durften endlich ins Wohnzimmer gehen. Dort haben wir dann Wunderkerzen angemacht, gemeinsam gesungen und gebetet. Ich denke auch sofort an den Adventskalender und an das gemeinsame Plätzchen backen in der Adventszeit. Ich hatte keinen Schokoladen-Adventskalender, sondern einen mit frommen Bildchen oder mit Zweigen am Sankt-Barbara-Tag. Das fand ich auch schöner als die Kalender mit Süßigkeiten.
POW: Wie bereiten Sie sich im Kloster auf Weihnachten vor?
Schwester Katharina: Zu Beginn der Adventszeit halte ich vor den Schwestern eine kleine Ansprache, in der deutlich werden sollte, worauf es in dieser Zeit ankommt, nämlich auf die Stille und das Gebet. Wir möchten einen Gegenakzent zur Vorweihnachtszeit außerhalb des Klosters setzen.
POW: Bedeutet das, im Kloster gibt es keine Geschenke?
Schwester Katharina: Nein, auch wir haben natürlich Bescherung. Es ist eine nette Tradition bei uns, dass ein paar Wochen vor Weihnachten ein kleiner verzierter Pappkarton aufgestellt wird, auf dem steht: „Wünsche an das Christkind“. Jede Schwester kann einen Wunsch reinwerfen, und eine von uns besorgt die Geschenke. Am ersten Feiertag machen wir die Bescherung. Es ist schön, wenn man zu Weihnachten etwas zum Auspacken hat. Ich wünsche mir in diesem Jahr eine große Leinwand, da ich sehr gerne male. Es sind immer nur kleine Wünsche, schließlich wollen wir hier nicht im Luxus leben, da darf auch das Weihnachtsfest keine Ausnahme sein. Es ist für uns ein großes Anliegen, dass wir einen einfachen Lebensstil führen.
POW: Wie sehen die Weihnachtsfeiertage bei den Ursulinen im Kloster aus?
Schwester Katharina: Weihnachten ist für mich ein Fest der Begegnung. Heiligabend laden wir jedes Jahr alleinstehende Frauen zu uns ein, zum Teil sind das auch ehemalige Schülerinnen von uns, die niemanden zum Feiern haben. Zuerst beten wir die Vesper, anschließend gibt es ein gemeinsames Singen und ein ausgedehntes Abendessen. Wir genießen einfach die gemeinsame Stimmung. Oft spielen wir auch Brettspiele, bevor es in die Christmette geht. Am ersten Weihnachtstag gibt es bei uns Schwestern gegen 14.30 Uhr die Bescherung. Das macht viel Spaß. Die Schwestern müssen alle vor der Türe warten, dann wird das Lied „Stille Nacht“ gespielt, die Schwestern dürfen in den Raum, und das große Auspacken beginnt. Den zweiten Feiertag nutzen viele Schwestern bei uns, um zu ihren Familien zu fahren.
Besonders freue ich mich aber auf den Tag der Unschuldigen Kinder am 28. Dezember. Früher war es üblich, dass die jüngste Schwester an diesem Tag die Oberin ist. Das ist aber nicht mehr so, wir haben eine andere Tradition: Wenn jemand an Weihnachten etwas geschenkt bekommen hat, was er nicht braucht, sammeln wir das, verpacken es wieder und beschenken uns nochmal untereinander. Das macht fast mehr Spaß als die Bescherung am Weihnachtsfest, weil man plötzlich Dinge bekommt, die man sich gar nicht gewünscht hat. Weihnachten ist einfach ein Fest der Freude, man darf sich kindlich freuen. Wichtig ist dabei nur, dass man auch an andere Menschen denkt.
POW: Das Klosterleben hat sie geprägt. Denken Sie inzwischen anders über Weihnachten als früher?
Schwester Katharina: Ich denke ganz anders über das Fest nach. Früher war mir vieles gar nicht so bewusst. Mir wird immer klarer, dass es an Weihnachten darum geht, Gott in unsere Mitte zu lassen, ihm Raum zu schaffen. Ich habe auch gelernt, dass man um Gottes Liebe kämpfen muss. Die Benediktiner sagen, sie seien Gottsucher. Ich verstehe mich auch als Gottsucherin. Weihnachten macht die Besonderheit des christlichen Glaubens deutlich. Welche Religion kann schließlich von sich behaupten, dass Gott in das Leben mit allen Höhen und Tiefen einsteigt. Das gibt mir auch im Alltag Kraft.
POW: Wie sieht die Vorweihnachtszeit bei Ihnen in den Schulen aus?
Schwester Katharina: In unserem Gymnasium und der Realschule ist die Vorweihnachtszeit leider teilweise sehr hektisch, auch weil wir jedes Jahr einen Weihnachtsbasar mit Leckereien und Selbstgebasteltem organisieren und Tannenbäume verkaufen. Der Erlös geht unter anderem nach Ägypten und Brasilien und auch zum Teil an die Schule, weil wir ein großes Bauprojekt vorhaben. Dem Stress im Schulbetrieb wollen wir aber trotzdem bewusst entgegenwirken, denn Stille braucht ihren Raum und jeder braucht die Stille, um wirklich auf Weihnachten vorbereitet zu sein. Deshalb gibt es in unserer Schule am 23. Dezember auch keinen Unterricht mehr, um wenigstens einen Tag vor dem Fest zur Ruhe zu kommen. Ich denke, wir sollen da als christliche Schule einen Akzent setzen. Eine Woche vor den Ferien soll es keine Schulaufgaben mehr geben, damit die Schülerinnen die Möglichkeit haben, wenigstens in den Tagen etwas durchzuatmen. Dann bieten wir einen morgendlichen Impuls an, in einer sogenannten Frühschicht vor dem Unterricht. Zusätzlich gibt es kurz vor Weihnachten den großen Schulgottesdienst im Dom mit allen Schülerinnen.
POW: Wie versuchen Sie den Schülerinnen den Sinn von Weihnachten zu vermitteln, gerade in Zeiten, in denen die Vorweihnachtszeit durch Stress und Kommerz geprägt ist?
Schwester Katharina: Es wird immer schwerer. Wir kommen gegen den Lärm der Zeit schlecht an. Es stehen viele Termine an, wir können unseren Schülerinnen nur Angebote machen, wie beispielsweise die meditativen Impulse zum Innehalten.
POW: Was können Kranke und Arme tun, um Weihnachten trotzdem besinnlich und schön zu feiern?
Schwester Katharina: Ich kann mir vorstellen, dass eine Familie mit einem Berg von Geschenken unter dem Weihnachtsbaum manchmal ärmer ist als die Familie, die nur wenige, kleine Päckchen drunter liegen hat. Das Entscheidende ist, dass an diesem Tag die Liebe zu spüren ist. Die Leute müssen wissen: Wir gehören und halten zusammen, auch wenn wir arm sind. Das ist der größte Reichtum, den man haben kann, da helfen keine riesigen Geschenke. Wenn sich eine arme Familie an den Kerzen und an der Krippe erfreut, dann ist sie eigentlich reich. Ich bekomme das täglich in der Schule mit: Manche Mädchen haben materiell alles, aber nur wenig Geborgenheit in der Familie, das macht sie arm und traurig. Manche kommen zu mir und sagen, sie wünschten sich zu Weihnachten, dass Mama und Papa sich nicht scheiden lassen. Das nimmt mich mit. Jedes Jahr bekommen wir auch Bettelbriefe ins Kloster geschickt. Wenn wir erkennen, dass dort wirklich jemand in Not ist, versuchen wir zu helfen. Als Christen sind wir aufgefordert zu helfen, aber wir müssen uns nicht ausnutzen lassen, deshalb prüfen wir solche Briefe schon genau.
POW: Welcher persönliche Wunsch liegt Ihnen zu Weihnachten am Herzen?
Schwester Katharina: Ich wünsche mir, dass wir im Kloster weiter so leben können, dass jeder sieht: ein Leben mit Gott kann erfüllend sein. Ich wünsche mir auch, dass unsere Schule ihren Schülerinnen in einer lauten Zeit auch weiterhin eine Orientierung geben kann.
Zur Person:
Schwester Katharina Merz (48) ist seit 1999 Oberin des Würzburger Ursulinen-Klosters.1982 legte sie am Gymnasium der Ursulinen ihre Abiturprüfung ab und trat im selben Jahr dem Orden bei. 1985 legte sie ihre erste Profess ab, 1988 dann die Ewige. Die Schwestern geloben mit dem Gelübde die Treue zu Gott und zum Orden sowie ein Leben nach den so genannten evangelischen Räten Armut, Keuschheit und Gehorsam. Im Jahr 1995 übernahm Merz, die Gymnasiallehrerin für Deutsch und Katholische Religionslehre ist, die Leitung der Ursulinen-Realschule, 2009 dann auch die des Gymnasiums. Realschule und Gymnasium werden zusammen von rund 1300 Schülerinnen besucht. Derzeit wird auf dem Gelände ein Klosterneubau errichtet. Der Umzug soll Anfang nächsten Jahres stattfinden. Insgesamt leben aktuell 13 Schwestern im Würzburger Kloster der Ursulinen.
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