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"Tiefe spirituelle Freundschaft mit Jesus"

Statement von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann zum Buch „Jesus von Nazareth III: Prolog – Die Kindheitsgeschichten“ von Papst Benedikt XVI.

Papst Benedikt XVI. schließt mit diesem dritten Teil „Prolog – Die Kindheitsgeschichten“ sein großes und persönliches Werk „Jesus von Nazareth“ ab. Nach dem ersten Teil „Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung“ aus dem Jahr 2007 und dem zweiten Teil „Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung“ von 2011, legt er nun mit seinen Ausführungen zu den Kindheitsgeschichten des Lukas und Matthäus und dem Prolog des Johannesevangeliums seine versprochenen Betrachtungen zu den bislang ausstehenden Abschnitten des Lebens Jesu vor. Er selbst will diesen letzten Band dabei nicht als Abschluss der vorausgehenden verstanden wissen, sondern als „eine Art kleiner Eingangshalle zu den beiden Bänden über Gestalt und Botschaft Jesu von Nazareth“ (so im Vorwort).

Im ersten Abschnitt stellt Papst Benedikt heraus, worum es in den Kindheitserzählungen der Evangelien geht: um eine Antwort auf die Fragen nach der Herkunft Jesu, seinem Sein und seiner Sendung. Letztlich geht es allen vier Evangelien im Ganzen darum, eine Antwort auf diese Fragen zu geben. Die Kindheitserzählungen des Matthäus und des Lukas dienen in besonderer Weise diesem Ziel. Unter diesem Aspekt meditiert der Papst die beiden Stammbäume Jesu und sieht im Stammbaum des Matthäusevangeliums den „Ausdruck einer Verheißung, die die ganze Menschheit betrifft“ (S. 20). Für den lukanischen Stammbaum hält er fest: „Jesus nimmt die ganze Menschheit, die ganze Menschheitsgeschichte in sich auf und gibt ihr eine neue, entscheidende Wendung zu einem neuen Menschensein hin“ (S. 21). Dabei entdeckt der Papst die „wartenden Worte“ aus den Verheißungen, die an das alttestamentliche Gottesvolk ergangen sind, dort aber nicht ihre Erfüllung gefunden haben, jetzt aber in Jesus zur Vollendung gelangen.

Im zweiten Kapitel meditiert er zuerst nach dem Lukasevangelium die Geburtsverheißung Johannes des Täufers in Verbindung mit der heilsgeschichtlichen Erwartung des Volkes Israel und Verkündigung Mariens. Dabei betont er die „innere Kontinuität der Gottesgeschichte mit den Menschen“ (S. 32), denn die „Geschichte des Johannes ist besonders tief im Alten Testament verwurzelt“ (S. 30). Mit dem Gruß des Engels an Maria, den Papst Benedikt in seiner griechischen Fassung chaire durchaus wörtlich verstanden wissen will – „Freue dich!“ – beginnt das Evangelium als wirklich frohe Botschaft. Darin liegt für ihn auch der Grundakkord der kirchlichen Verkündigung durch die Zeit: sie ist Evangelium – frohe Botschaft (vgl. S. 37f.), denn „Freude und Gnade gehören zusammen“ (S. 39).

Dann wendet sich Papst Benedikt der Ankündigung der Geburt Jesu im Matthäusevangelium zu. Mit tiefen Worten erschließt er die Bedeutung, dass Josef die Botschaft des Engels im Traum erreicht. Er entdeckt bei Josef als wesentlichen Zug seiner Gestalt die „Wahrnehmungsfähigkeit dem Göttlichen gegenüber und seine Fähigkeit der Unterscheidung. Nur einem Menschen mit einer inneren Wachheit dem Göttlichen gegenüber, mit einer Sensibilität für Gott und seine Wege, kann die Botschaft Gottes so begegnen. Und Unterscheidungsfähigkeit ist notwendig, um zu erkennen, ob es nur ein Traum gewesen oder ob wirklich Gottes Bote bei ihm eingekehrt war und zu ihm gesprochen hatte“ (S. 50).

In diesem Zusammenhang bezieht der Papst auch Stellung zur Frage, ob die Jungfrauengeburt Mythos oder geschichtliche Wahrheit ist und anerkennt mit dem evangelischen Theologen Karl Barth, dass diese Frage „ein Skandal für den modernen Geist“ (S. 65) ist. Er stellt die Andersartigkeit der Darstellung und Aussage bezüglich der Jungfrauengeburt bei Lukas und Matthäus mit den religionsgeschichtlichen Parallelen heraus. Er stellt fest: „Die Erzählungen bei Matthäus und Lukas sind nicht weiterentwickelte Mythen. Sie stehen ihrer Grundauffassung gemäß fest in der biblischen Tradition von Gott, dem Schöpfer und Erlöser“ (S. 61). Den Evangelien geht es deshalb darum, dass die Einzigkeit Gottes und die Unterschiedenheit zwischen Gott und Kreatur gewahrt bleiben. Letztlich geht es dann um die Frage, ob Gott im Materiellen wirken kann und damit um die Frage nach dem Gottsein Gottes selbst: „Wenn Gott nicht auch Macht über die Materie hat, dann ist er eben nicht Gott. Aber er hat diese Macht, und er hat mit der Empfängnis […] Jesu Christi eine neue Schöpfung eröffnet. So ist er als Schöpfer auch unser Erlöser. Deswegen ist die Empfängnis und Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria ein grundlegendes Element unseres Glaubens und ein Leuchtzeichen der Hoffnung“ (65).

Im dritten und vierten Kapitel betrachtet er die Erzählungen um die Geburt Jesu in Betlehem. Zuerst widmet er sich dabei dem Lukasevangelium. Benedikt XVI. stellt heraus: „Jesus ist nicht im Irgendwann des Mythos geboren und aufgetreten. Er gehört einer genau datierbaren Zeit, einem genau bezeichneten geographischen Raum zu: Das Universale und das Konkrete berühren einander“ (S. 74). Dabei plädiert er eindeutig für Betlehem als Geburtsort Jesu: „Wenn wir uns an die Quellen halten, bleibt klar, dass Jesus in Betlehem geboren und in Nazareth aufgewachsen ist“ (S. 75). Im Anschluss meditiert er im Rückgriff auf Justin, Augustinus und die Mönchstradition die Geburt Jesu in Betlehem und erschließt tiefsinnig die Bezüge der Geburtsgeschichte zu den prophetischen Verheißungen des Gottesvolkes und in das Leben und Sterben Jesu hinein.

Anschließend wendet er sich dem Matthäusevangelium zu und betrachtet dort die Erzählungen von den Weisen aus dem Morgenland und die Flucht nach Ägypten. In den Weisen aus dem Osten erkennt er „den Aufbruch der Menschheit auf Christus hin. Sie eröffnen eine Prozession, die durch die ganze Geschichte hindurchzieht. Sie stehen nicht nur für die Menschen, die zu Christus gefunden haben. Sie stehen für die innere Erwartung des menschlichen Geistes, für die Bewegung der Religionen und der menschlichen Vernunft auf Christus zu“ (S. 105f.).

Im abschließenden Epilog über den zwölfjährigen Jesus im Tempel öffnet Papst Benedikt seine Betrachtungen auf das Leben und Wirken des erwachsenen Jesus: Sein Stehen in seinem Volk und sein Gehorsam zum Gesetz und Willen Gottes, sein Wissen um seine Herkunft vom Vater bis hin zu seiner Passion. So kann unser Heiliger Vater diesen Band abschließen mit der Bemerkung: „Es wird sichtbar, dass er wahrer Mensch und wahrer Gott ist, wie es der Glaube der Kirche formuliert. Das Ineinander von beidem können wir letztlich nicht definieren. Es bleibt Geheimnis, und doch erscheint es ganz konkret in der kleinen Geschichte vom Zwölfjährigen, die damit zugleich die Tür auftut in das Ganze seiner Gestalt, das uns dann die Evangelien erzählen“ (S. 135).

Kurz vor Weihnachten hat uns Papst Benedikt mit diesem letzten Band seines Jesusbuches ein kostbares Geschenk gemacht, das in den nun kommenden adventlichen Tagen helfen kann, das weihnachtliche Geschehen der Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth gläubig zu betrachten und tiefer zu verstehen. Seine große Homilie über das Leben Jesu nach den Erzählungen der Evangelien ist damit zu einem Abschluss gekommen und lädt zugleich ein, die bereits erschienen beiden Bände nochmals neu zu lesen.

Mit Fug und Recht wird man dieses Werk unseres Heiligen Vaters als opus magnum bezeichnen dürfen – nicht nur wegen seines Umfangs von insgesamt fast 1000 Seiten in drei Bänden, sondern vor allem auch wegen seiner biblischen Fundierung, seiner theologischen Durchdringung und seines spirituellen Tiefgangs. Ich bin froh und dankbar, dass Papst Benedikt dieses Werk abschließen konnte. Gleichzeitig hoffe ich, dass es nicht sein opus ultimum sein möge, sondern er uns noch öfter teilhaben lässt an seiner tiefen spirituellen Freundschaft mit Jesus, die man aus allen Zeilen seines Werkes spüren kann und die sich bei ihm in einzigartiger Weise mit einem umfassenden theologischen Wissen verbindet. Seine klaren Worte machen es einfach, sich in das große Geheimnis Jesu Christi hineinzufühlen und seine Bedeutung für unser Leben zu entdecken.