Liebe Schwestern und Brüder,
mit der heutigen Vesper beginnt schon der Palmsonntag und damit der Eintritt in die Karwoche. Der Glaube an Jesus, als den Erlöser, verdichtet sich in den Texten dieser Woche und focussiert unser Sinnen und unseren Verstand auf das explodierende Geheimnis eines Weges Gottes zu uns, der alle Denkkategorien, alle Vorstellungen und Ausdeutungen übersteigt.
Die Texte des jetzt beginnenden Palmsonntags eröffnen die Spannweite von ‚Hosianna’ bis hin zu ‚Kreuzige ihn’.
In der eben gehörten Lesung werden wir mit einem Erlösungsgedanken konfrontiert, der mehr dem damaligen merkantilen Gebaren zugeordnet zu sein scheint, als dem theologischen Denken: Petrus weist die Neugetauften darauf hin, dass sie aus ihrer sinnlosen ererbten Lebensweise nicht um Silber oder Gold losgekauft (1 Ptr 1,18) wurden, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel (1 Petr 1,19).
Unwillkürlich wird so mancher unter uns dabei an den Sklavenhandel denken, den Loskauf aus der schrecklichen Sklaverei. Petrus greift diesen Gedankengang auf, weil er so sicherlich von den zum Christentum bekehrten Heiden verstanden wurde. Übrigens sprechen ebenso Paulus im Römerbrief vom Loskauf durch das Blut Jesu Christi (vgl. Röm 3,25) und auch Johannes in der Geheimen Offenbarung (Offb 1,5).
Dieser Gedanke ist uns Heutigen eher fremd. Er will aber deutlich machen, dass Christus für uns sein Leben hingegeben hat. Die Ermöglichung des neuen Lebens in Gott ist nicht mit Geld erkauft worden noch mit Geld zu haben. Sie erwächst uns aus der freiwilligen Lebenshingabe Jesu.
Der dabei noch mitschwingende martialische Unterton wird durch den Verweis auf die Auferstehung Jesu zielgerichtet:
Wir, die aus dem Sühneleiden Jesu von aller irdischen Schuld befreit wurden, können in seiner Gefolgschaft zwar nicht den Konsequenzen irdischer Gebrochenheit entkommen, wohl aber mit Fug und Recht das Ziel, das Ewige Leben, in den Blick nehmen.
Das trügerische Hosianna am Palmsonntag durchläuft Verrat, Folter und Kreuzigungstod, um aber – wie es Gott schon vor der Erschaffung der Welt vorgesehen hatte, in der Auferstehung am Ostersonntag seinen finalen Triumph zu finden.
Genau das, liebe Schwestern und Brüder, finden wir in der Musik dieser Karwoche wieder. Sie lotet den Spannungsbogen vom vorübergehenden Hosianna über abgrundtiefe Traurigkeit, Vereinsamung, Schmerz und Trauer bis hin zum erlösenden Jubel des Osterallelujas aus.
Genau das macht aber auch die Aura eines Kirchenmusikers aus, der der Wortverkündigung die musikalische Entsprechung oder gar Vertiefung hinzufügt.
Heute verabschieden wir Professor Martin Berger, der seit dem November 2002 bis in diese Tage, bis in den kommenden Ostersonntag, die gewaltige Aufgabe des Würzburger Domkapellmeisters wahrgenommen hat und wahrnimmt. Er hat nicht nur die Würzburger Dommusik wie eine prachtvolle Blüte zur Reife und Vollendung geführt, sondern er hat unterschiedliche Lehrtätigkeiten im In- und Ausland wahrgenommen, die alle zum Ziel hatten, den von mir angesprochenen Spannungsbogen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu vermitteln. In der sich anschließenden Feier in der Neubaukirche wird dieses große Bemühen ausdrücklich gewürdigt.
Hier aber, im Rahmen der festlich gestalteten Vesper, möchte ich dennoch dezidiert Domkapellmeister Berger Dank sagen, Dank für seinen ungeheuren Einsatz, seine Sensibilität und seine Glaubensstärke. Wenngleich er auch verschiedene Höhepunkte – wie die musikalische Leitung des Abschlussgottesdienstes zum Weltjugendtag in Köln 2005, das Chorfestival der Pueri Cantores in Würzburg 2011 und die Aufführung der Kirchenoper ‚Augustinus – ein klingendes Mosaik’ vor Papst Benedikt XVI. Ende September des vergangenen Jahres erleben durfte – so bleiben doch der gewaltige Arbeitsaufwand, die Zuwendung zu den Sängerinnen und Sängern, Musikerinnen und Musikern mit den oft unversehens aufgetretenen Problemen eine stets neue Herausforderung, die er mit vollem Herzen angenommen hat. In der uns allen zugute gekommenen hervorragenden Zusammenarbeit mit unserem Domorganisten Professor Schmidt und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Dommusik, spielt doch auch die Bereitschaft der Mitglieder in den verschiedenen Domchören und den Orchestern eine große Rolle. Auch dafür möchte ich Ihnen und Euch allen heute danken. Das, was in der Würzburger Dommusik zum Lobe Gottes und zur Freude der Menschen von Ihnen und Euch allen eingebracht wird, ist nicht mit Gold aufzuwiegen.
Das Geheimnis von Musik scheint mir zu sein, dass sie letztlich aus der Schöpferkraft Gottes stammt, unsere Seele zum Klingen bringt und uns eine Ahnung von Unendlichkeit, ja Ewigkeit schenkt.
Es ist deshalb auch kein Wunder, dass die Musik innerhalb der Liturgie der Kirche eine große Rolle spielt. So heißt es im ‚Sacrosanctum Concilium’: „Die überlieferte Musik der Gesamtkirche stellt einen Reichtum von unschätzbarem Wert dar, ausgezeichnet unter allen übrigen künstlerischen Ausdrucksformen vor allem deshalb, weil sie als der mit dem Wort verbundene gottesdienstliche Gesang einen notwendigen und integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie ausmacht.“
Wenn wir vom Himmel sprechen, dann doch zumeist im Zusammenhang mit der Musik. Wir sprechen von den Chören der Engel, die Gottes Thron umstehen, musizieren und singen.
So schlägt ein weiteres Mal die Musik den Bogen aus der Wirklichkeit Gottes in unser geschöpfliches Dasein und führt uns auf die Vollendung unseres Lebens in der Ewigkeit Gottes zu. Danken wir Gott für das Geschenk der Musik und danken wir allen, die uns diese Gottes Gabe erschließen.
Amen.