Münsterschwarzach (POW) Krankenhausseelsorge in der modernen Medizin muss künftig Seelsorge nahe am Menschen sein. Das hat Professor Dr. Andreas Heller, Lehrstuhlinhaber für Palliative Care und Organisationsethik an der Universität Klagenfurt, bei der 50. Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Krankenhausseelsorge im Bistum Würzburg in Münsterschwarzach betont. Das Treffen von Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorgern sowie ehemaligen Mitgliedern stand unter dem Thema „Die Situation der Krankenhausseelsorge heute und morgen“.
Von der Situationsbeschreibung der „Verbetriebswirtschaftlichung“ des Gesundheitssystems in Deutschland ausgehend, entwickelte Heller die zukünftige Rolle der Krankenhausseelsorge in der modernen Medizin. Der ökonomische Druck in den Häusern nehme zu. „Welche Rolle nimmt in diesem System dann die Krankenhausseelsorge ein? Stabilisiert sie das System, in dem die Menschen sich als Objekte von Behandlungsoptimierungs-Prozessen erleben? Sollen die Krankenhaus- und Altenheimseelsorger diesen Befund des Systems ansprechen, damit der Mensch als Ganzes in den Mittelpunkt gerät?“, fragte Heller.
Letztlich spiegele sich in der Krankenhausseelsorge das Dilemma der Seelsorge im Allgemeinen: Die Seelsorge stehe vor einem „Multioptionsdilemma“, in dem Entscheidungen notwendig seien. Alles werde in Zukunft nicht mehr gehen, unterstrich der Organisationsethiker. Der Seelsorger werde sich für einen Weg entscheiden müssen. Dazu sei ein organisationsethischer Prozess notwendig, in dem für die Seelsorge theologische Entscheidungen getroffen werden müssten und nicht betriebswirtschaftliche. Für Heller stellten sich stattdessen die Fragen: „Wie komme ich zu einer Entscheidung zugunsten einer diakonischen Theologie? Wo sind heute die Armen in unserer Gesellschaft? Wer begleitet die Menschen und ihre Angehörigen, die ständig zwischen Altenheim, Krankenhaus und Palliativstation wandern? Wer tritt für sie ein in den Ethikkomitees und lässt ihre Wünsche und Fragen zu Wort kommen?“ Auch im Bereich der Krankenhausseelsorge seien Experten gefordert, die in den ethischen Fragen auf der Höhe der Zeit sind und auch ethische Positionen vertreten können. Krankenhausseelsorge soll nach den Worten Hellers dazu helfen, dass die Ratlosigkeit in vielen ethischen Fragen ausgesprochen werden darf und eine gemeinsame, für alle tragbare Lösung in den schwierigen Fragen des Lebensbeginns und des Lebensendes gefunden werden kann.
Mit einem aktuellen Auszug aus seinem Buch „Ethik organisieren“ kam Heller auch auf einige organisationsethische Perspektiven zum Thema „Sexualisierte Gewalt in der Kirche“ zu sprechen. Als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im direkten Kontakt mit Menschen stehen, die nicht unbedingt immer zum Kernmilieu der Kirche gehören, kämen die Krankenhausseelsorger in einen Loyalitätskonflikt. In neun Thesen formulierte Heller die Aufarbeitungsmöglichkeiten des sexuellen Missbrauches in der Kirche. Diese haben dem Anspruch der Opfer zu dienen. „Eines ist klar: Ohne Anerkennung der Schuld, ohne Reue und ohne Wiedergutmachung wird es keine Vergebung im Sinne eines menschlichen und christlichen Weiterlebens in der Kirche geben können“, sagte Heller in seinem Vortrag. Die Kirche müsse sich helfen lassen, den Blick der Opfer einzunehmen.
Bei der 50. Tagung wurde auch zurückgeblickt. Ein Festgottesdienst mit Weihbischof Ulrich Boom in der Kapelle des Egbert-Gymnasiums eröffnete den festlichen Abend. Weihbischof Boom legte den Seelsorgerinnen und Seelsorgern die heilige Elisabeth ans Herz – als eine Frau, die die Zuwendung und Liebe Gottes durch ihre Taten immer wieder den Menschen nahe gebracht habe. Johannes Reuter vom Personalreferat der Diözese überbrachte Grüße und Glückwünsche. Bereichsleiter Rainer Ziegler von der Hauptabteilung Seelsorge interviewte bei einem Podium Menschen, die die Arbeitsgemeinschaft prägten. Vorsitzender Gerold Neudert berichtete von den Schwierigkeiten beim Aufbau der Arbeitsgemeinschaft, weil es damals noch viele „Einzelkämpfer“ gab. Joachim Kubisch stellte die Wichtigkeit der Tagungen für die Fortbildung heraus. Klinikpfarrer Monsignore Gottfried Amendt machte deutlich, wie wichtig ihm der Ausgleich durch Bewegung, Meditation, Therapie und Supervision sei. Diakon Bernhard Fenn, Krankenhausseelsorger in Werneck, berichtete von den Anfängen als erster „Nicht-Pfarrer“ und Diakon. Hildegard Sauer aus Haßfurt, langjährige Mitarbeiterin in der Krankenhausseelsorge, erinnerte sich an die Anfänge ihres Einsatzes und die gute Ausbildung, die sie als Ehrenamtliche von Neudert und Kubisch erhielt. Mit einem Blick in den Krankenhausalltag schloss das Podium.
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