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Papstbesuch und Dialogprozess

Wort von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann bei der Herbstvollversammlung des Diözesanrates der Katholiken im Bistum Würzburg am 14. Oktober 2011 im Exerzitienhaus Himmelspforten

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Mitglieder im Diözesanrat,

herzlich begrüße ich Sie zur Herbstvollversammlung des Diözesanrates.

Das bewegendste Ereignis für die katholische Kirche in Deutschland der vergangenen Wochen, ja diesen ganzen Jahres, und ich darf sagen, auch für mich ganz persönlich, war der Besuch von Papst Benedikt in Berlin, Thüringen und Freiburg.

Ich habe unseren Papst als sehr wach und innerlich ganz präsent erlebt auf den Stationen seines Deutschlandbesuchs. Er hat jede Begegnung intensiv und bewusst wahrgenommen.

Der Heilige Vater hat bewegende, brillante und auch kontrovers diskutierte Reden gehalten. Zu den ergreifenden Gottesdiensten in Berlin, Etzelsbach, Erfurt und in Freiburg kamen weit mehr Menschen als angekündigt. Auch das Interesse der Medien war enorm groß. Sogar die polemische Kritik im Vorfeld des Besuches war letztlich ein Indiz für die große Bedeutung, die der Gast aus Rom auch in unserem Lande hat. Und wie schnell war diese Kritik von der großen Zustimmung überlagert, die Papst Benedikt dann erfahren und erleben durfte.

Er sei gekommen, sagte der Papst in seiner Begrüßungsansprache, „um den Menschen zu begegnen und über Gott zu sprechen."

Der Papst hat vor dem Bundestag gesprochen. Es war eine großartige Rede und eine besondere Stunde für das Parlament. Ich habe selten so viel Begeisterung bei den unterschiedlichsten Menschen erlebt wie nach dieser Rede.

Papst Benedikt hat eine leise, feinfühlige und philosophische Rede gehalten, die überrascht und quer durch alle Fraktionen Anerkennung und Respekt gefunden hat. Der Protest einiger Parlamentarier, der auf übersteigertes Medieninteresse stieß, war nichts anderes als ein Armutszeugnis. Sie haben sich intolerant verhalten und damit bloßgestellt. Inhaltlich ging es Papst Benedikt darum zu zeigen, dass es unabhängig von religiösen Überzeugungen im Licht einer allen Menschen zugänglichen Vernunft möglich ist, gutes Recht zu schaffen. Natur mit ihrer eigenen Würde, erstelle die Vorgaben, die mit der Vernunft in Einklang zu bringen seien.

Bewegend waren die Gottesdienste, die Papst Benedikt mit vielen tausend Menschen gefeiert hat. Seine tiefsinnigen Predigten überzeugten ebenso wie die Zeichen, die man bei diesen Feiern des Glaubens erleben konnte. In der Zeitschrift "Christ in der Gegenwart" wurde an eine Begegnung während des Kommunionempfangs beim Gottesdienst im Berliner Olympiastadion erinnert:

"Es war ein eher stiller Moment - und doch der ergreifendste der gesamten Reise: als Benedikt XVI. im Berliner Olympiastadion Behinderten in Rollstühlen und einer Schwerstkranken auf einer Trage die Kommunion reichte. Am selben Ort, an dem Hitler 1936 dem sportlichen Glanz der Körper huldigte und das Athletische, Starke, Mächtige und Schöne heroisierte, weshalb er sogenanntes „lebensunwertes Leben" vernichten ließ und Deutschland in die größte Katastrophe stürzte, teilte der deutsche Papst ein Dreivierteljahrhundert danach das Sakrament des Lebens aus - als erste und letzte Wegzehrung für den immer schwachen Menschen, der zum Sterben verurteilt ist und allein von der keimenden Hoffnung auf wahre Erlösung durch Gott im ewigen Leben getragen wird." (Christ in der Gegenwart 40/2011)

Als ökumenischer Höhepunkt der Papstreise hat vor allem sein Besuch im Erfurter Augustinerkloster viel Aufmerksamkeit erregt. Es waren im Vorfeld auch wieder überzogene und unrealistische Erwartungen an den Papst gerichtet worden. Der Papst selbst hatte den Wunsch geäußert, im Kernland der Reformation gerade diesen Programmpunkt besonders zu gewichten. Allein diese Geste, dieser Besuch war ein ökumenisches Novum, das in seiner Bedeutung bisher noch viel zu wenig Anerkennung erfährt und Gleiches gilt seinen Aussagen zur Person des Reformators: Benedikt XVI. würdigte Luther als leidenschaftlichen Gottsucher, der in seiner Theologie um und mit Gott zeitlebens gerungen habe: "Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?" Was eröffnet uns solche Gemeinschaft mit Gott, auf die im Leben und Sterben Verlass ist?

Der Papst nahm diese Frage auf und bat darum, den „Fehler des konfessionellen Zeitalters" zu überwinden, „dass wir weithin nur das Trennende gesehen und gar nicht existenziell wahrgenommen haben, was uns mit den großen Vorgaben der Heiligen Schrift und der altchristlichen Bekenntnisse gemeinsam ist".

Die Ökumene ist für Benedikt XVI. in erster Linie eine Aufgabe, gemeinsam gegen die Säkularisierung der Gesellschaft, die Entfremdung von Gott vorzugehen. Es geht darum, in säkularer Gesellschaft die Gottesfrage wachzuhalten, ja neu zu wecken.

Zu den stimmungsvollsten Gottesdiensten zählte sicher das abendliche Vigilgebet mit

30 000 Jugendlichen in Freiburg. Mehrere Jugendliche aus katholischen Verbänden erklärten dem Papst von Angesicht zu Angesicht, warum sie sich engagieren und was sie in Kirche erleben. Unser Papst fand auch den Jugendlichen gegenüber eine Sprache ohne jegliche Moralisierung, wenn er sagte:

„Es gibt keinen Heiligen …, der nicht auch die Sünde gekannt und niemals gefallen wäre. Liebe Freunde, Christus achtet nicht so sehr darauf, wie oft ihr im Leben strauchelt, sondern wie oft ihr wieder aufsteht. Er fordert keine Glanzleistungen, sondern möchte, dass sein Licht in euch scheint. Er ruft euch nicht, weil ihr gut und vollkommen seid, sondern weil Er gut ist und euch zu seinen Freunden machen will."

Schließlich hat Papst Benedikt mit einer aufrüttelnden Rede im Freiburger Konzerthaus seinen offiziellen Staatsbesuch beendet. Er hat die Christen in Deutschland darin ermutigt, sich vom Geist des Evangeliums leiten zu lassen und den Glauben an Jesus Christus zu vertiefen. Strukturen sind immer nur Mittel und niemals Zweck kirchlichen Handelns:

„Bleibt nicht an der äußeren Gestalt von Kirche hängen, sondern bleibt bei Christus. In ihm gehören wir zusammen.“

Dem Papst geht es um eine qualitative Vertiefung des Glaubens und um eine andere Wahrnehmung von Kirche:

„Kirche sind nicht nur die anderen, nicht nur die Hierarchie, der Papst, die Bischöfe; Kirche sind wir alle, wir, die Getauften." Kirche müsse in Bewegung kommen und in Bewegung bleiben. Sie soll sich dabei durchaus der Welt ausliefern, in die Welt gehen, sich aber nicht mit der Welt gemein machen, nicht verweltlichen – ein Begriff der seit dieser Rede sehr kontrovers diskutiert wird und in den kommenden Wochen und Monaten sicher noch genau analysiert und definiert werden muss. Kirche müsse sich in Schlichtheit und Einfachheit konzentrieren auf das, was sie wesentlich tun soll und was ihre innere Stärke ausmacht: in der Nachfolge Christi seinen Sendungsauftrag annehmen und den gütigen, barmherzigen, erlösenden, großen Gott den Menschen verkünden.

Wörtlich sagte der Papst:

"Menschen, die unter unserer Sünde leiden und Sehnsucht nach dem reinen Herzen haben, sind näher am Reich Gottes als kirchliche Routiniers, die in ihr nur noch den Apparat sehen, ohne dass ihr Herz vom Glauben berührt wäre.“

Hier geht es um unsere eigene Gewissenserforschung.

Wenn Kirche nur weltlichen Privilegien vertraue, läuft sie Gefahr, sich den Maßstäben der Welt anzugleichen. Es ist ein Überhang an Strukturen in unserer Kirche immer wieder die Gefahr. Aber entscheidend ist, ob diese kirchliche Strukturen auch entsprechend mit Heiligem Geist Geist gefüllt sind. Darin könnte ein wichtiger Ansatz für den Gesprächsprozess in unserer Kirche liegen.

Was ist nun der Ertrag dieses Papstbesuchs in Deutschland?

Vielleicht darf ich es so sagen: Benedikt XVI. will in seiner Sicht die Kirche zur Gewissenserforschung und zu einer eigenen und anderen Reform anregen, zu einer Vertiefung des weltlichen wie religiösen Lebens auf Gott hin. Er hat die Kirche in Deutschland ermutigt, den Weg der Erneuerung und Läuterung fortzusetzen.

Der Papst hat mit seinem Besuch die katholische Kirche in Deutschland gestärkt. Als Gottsucher ist er zu uns gekommen, um uns neu zu ermutigen, Gott in unserem Leben und unserem Alltag zu finden, wieder zu finden.

Gott suchen in allen Dingen, ist das Leitwort des heiligen Ignatius von Loyola, auf dessen Vorbild junge Leute bei der Vigil in Freiburg hingewiesen haben. Selbst da, wo es Gott scheinbar nicht gibt, gibt es ihn. Selbst in all unseren Problemen mit Gott und im Zweifeln an Gott ist er längst da als Hoffnung wider alle Hoffnung.

„Wo Gott ist, da ist Zukunft."

Bereits bei seiner Predigt im Berliner Olympiastadion hat unser Papst die Missbrauchsfälle angesprochen, die uns zutiefst beschämt und erschüttert und zu einer ernsthaften Vertrauenskrise in unserer Kirche geführt haben. Benedikt XVI. sprach von der "leidvolle(n) Erfahrung, dass es in der Kirche gute und schlechte Fische, Weizen und Unkraut gibt. Wenn der Blick auf das Negative fixiert bleibt, dann erschließt sich das große und tiefe Mysterium der Kirche nicht mehr."

In Erfurt hat sich der Papst mit Missbrauchsopfern getroffen. Er zeigte sich zutiefst erschüttert und bewegt von der Begegnung mit Menschen, denen durch kirchliche Mitarbeiter so unendlich viel Leid und Gewalt angetan wurde. Es sind Wunden, die kaum heilen können.

Der Skandal ist ohne Frage eine der schlimmsten Belastungen, die wir als Kirche zu tragen haben. Um neues Vertrauen zu gewinnen, geht es nun vor allem darum, solche Missbrauchsfälle bereits im Ansatz zu verhindern. Es geht um die Notwendigkeit von Prävention. Das haben wir Bischöfe bereits vor dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle in Deutschland und nach den Geschehnissen in Irland erkannt. Leider ist diese Initiative öffentlich kaum wahrgenommen worden. Es geht etwa um die Entwicklung eines angemessenen Nähe-Distanz-Verhältnis, um eine Vertrauensbasis zu schaffen, in der Grenzüberschreitungen ohne Angst angesprochen werden können. Es braucht klare Regeln und Transparenz, die helfen grenzüberschreitendes Verhalten zu erkennen und Sprachlosigkeit zu überwinden. Ein Instrument dafür ist die Schaffung eines Verhaltenskodex, der Verhaltensregeln und Sanktionen bei Nichteinhaltungen festlegt. Professionelle Hilfen müssen im Verdachtsfall hinzugezogen werden.

Es ist sicher ein "langer Atem" notwendig, um hier weiter voran zu kommen. Es gilt, die betroffenen Personen bereits vor der Umsetzung und Einführung solcher Instrumente "mit ins Boot" zu holen. Dann kann Vertrauen wieder wachsen und dann können wir sagen: "Wir schauen hin und handeln auch!"

1. Besuch der Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber, Würzburg:

Diesem Hinschauen und Handeln galt im September mein Besuch in der Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende und bei einer Familie aus dem Libanon, die mit Hilfe unseres Bruno-Werks eine Wohnung gefunden hat.

Trotz aller Bemühungen die Gemeinschaftsunterkunft anlässlich meines Besuchs in günstigem Licht erscheinen zu lassen, war mein Eindruck von der Lebenssituation dieser Menschen deprimierend genug. Teilweise vier Personen in einem Zimmer, gemeinschaftliche Benutzung von Toilette, Küche und Dusche schränken den Lebensalltag sehr ein. Vor ihrer Anerkennung als Asylberechtigte haben die aus ihren Heimatländern Geflüchteten keine Chance, die Sprache unseres Landes zu erlernen. Die medizinische Versorgung und überhaupt die Selbstbestimmung der Menschen sind sehr eingeschränkt. Ein Beispiel ist die Praxis der Ausgabe von Lebensmittelpaketen. Den Menschen wird verwehrt selbstständig einzukaufen und Kontakte "nach draußen" zu knüpfen. Sie sollen sich nicht integrieren. Viele Familien und Einzelpersonen müssen leider viele Jahre in dieser Einrichtung verbringen. Die Gemeinschaftsunterkunft ist nach allem, was ich gesehen habe, vor allem kein Ort für Kinder.

Ohne das vielfältige Engagement der Kirche wäre die Situation ungleich trostloser. Ich danke den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Flüchtlingsberatung der CARITAS, mit denen ich sprechen konnte, für ihre wertvolle Arbeit. Ebenso aber auch für das vielfältige ehrenamtliche Engagement von Gruppen und Einzelnen, wie KHG, San Egidio (bieten einfache Sprachkurse für die Menschen) und Ökumenischer Asylkreis.

Im Gespräch zwischen dem Bayerischen Kabinett und der Freisinger Bischofskonferenz am 16. September konnten einige Punkte, besonders mit Frau Sozialministerin Haderthauer zu Sprache kommen. Gerade auch der fortgesetzte Kontakt mit den Verantwortlichen in der Politik dient mittelfristig der Verbesserung der Situation Asylsuchenden bei uns.

2. Dialogprozess:

Der Papstbesuch ist Anstoß, das Eigentliche, die Botschaft des Evangeliums wieder zum Strahlen zu bringen, Vertrauen bei den Menschen wieder zu gewinnen, den Gottsuchenden Hilfestellung zu bieten und den Glaubenden Freude an ihrem Glauben zu ermöglichen. Dies muss Ziel des Gesprächsprozesses in der deutschen Kirche und bei uns in unserem Bistum sein.

Die zentrale Botschaft unseres Papstes "bei Christus bleiben" sollte uns zu denken geben. Was selbstverständlich klingen mag, ist näher betrachtet eine Lebensentscheidung. Das Motto 2011 für den Dialogprozess lautet: "Im Heute glauben: Wo stehen wir?" - Diese Frage ist noch nicht ganz beantwortet.

Ebenso beschreiben die weiteren Jahresthemen im Gesprächsprozess wichtige Aufgaben für die Kirche in Deutschland und in unserem Bistum:

2012:Diakonia - Unsere Verantwortung in der freien Gesellschaft

2013: Liturgia - Die Verehrung Gottes heute

2014: Martyria - Den Glauben bezeugen in der Welt von heute

2015: Im Heute glauben - Wo Gott ist, da ist Zukunft

(Dieses Wort war ja auch Motto des Papstbesuches in diesem Jahr.)

Ihnen allen aber danke ich von Herzen, dass sie mit ihren unermüdlichen und engagierten Einsatz diesen wichtigen Herausforderungen stellen und erbitte Gottes Segen für sie.