Liebe Schwestern und Brüder,
augenblicklich können wir uns kaum stürmischere Zeiten vorstellen. Das Schiff der Kirche schwankt nicht nur auf hoher See, es ächzt und krächzt. Die Mannschaft wird ordentlich durchgerüttelt. Menschen springen von Bord oder werden seeuntüchtig. Der Kapitän übergibt das Steuer in andere Hände. Papst Franziskus übernimmt gerade mit einem aufhorchenden Paukenschlag das Steuer der Kirche und muss schon die ersten Turbulenzen erleben.
Wenn wir dieses Bild der Kirche im Sturm der Zeit weiter ausmalen, wird uns die dramatische Situation, in der wir stecken, überdeutlich.
Als Kind habe ich – wie vielleicht viele von Ihnen – eine konstante, beharrliche nahezu unangreifbare Kirch als Hort der Freiheit und der Zukunft erlebt.
Heute werden wir wohl das Bild der weithin vom sicheren Felsen ausstrahlenden Kirchenburg nicht assoziieren. „Ein Haus voll Glorie schauet weit über alle Land…“ scheint vergangenen Zeiten anzugehören und weckt wehmütige Erinnerungen. Das Lied „Eine große Stadt ersteht…“ ist Zukunftsmusik und bringt nur einen Hoffnungsschimmer in die aufgewühlte Situation.
Und dann sollen wir uns zu der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche bekennen? Vier Stichworte rufen uns immer wieder im Glaubensbekenntnis das Wesentliche unseres Kirchenverständnisses auf: Einig – heilig – katholisch und apostolisch.
Es gibt viele christliche Glaubensgemeinschaften und Kirchen. Aber nach dem Willen Jesu gibt es nur eine Kirche. Er hat sie in seinem Sterben am Kreuz gestiftet. Er hat sein Leben für die Geburt der Kirche gegeben. Von daher ist auch das Bild des einen Leibes mit den vielen Gliedern ein passender Vergleich.
Die stetige Erneuerung dieser Kirche geschieht durch die Verkündigung seines Wortes und die Gegenwärtigsetzung des Abendmahls- und Kreuzigungsgeschehens in der Feier der heiligen Messe. Christus stirbt nicht immer wieder.
Das einmalige Geschehen seines Liebestodes am Kreuz wird in der Feier der heiligen Messe gegenwärtig gesetzt.
Sein Liebesbund mit uns, seiner Kirche, vollzieht sich immer wieder an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten und lässt uns aufleben. Genau dieses Geheimnis geschieht in und für diese eine Kirche. Ohne diesen Gnadenstrom würden wir verdursten. Christus spricht selbst davon, dass die Kirche eins sein muss: „ Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir. eins sind – du in mir und ich in dir“ und wenige Zeilen weiter: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ (Joh 17,11;21)
Die Zertrennung in verschiedene Konfessionen entspricht nicht dem Willen Christi und ist im Grunde ein Verhängnis. Es ist so als ob das eine Gewand Jesu in verschiedene Stücke zerrissen ist. Die heutigen Herausforderungen brauchen die eine Kirche. Je mehr wir an der Einheit arbeiten, desto mehr Ausstrahlungskraft gewinnen wir für die Evangelisation.
Die Konsequenz dieses Einheitsgedankens ist die sichtbar tätige Nächstenliebe! Wer an die eine Kirche glaubt und seinen Platz in dieser Kirche gefunden hat, wird zur tätigen Liebe gedrängt.
Von der heiligen Therese von Lisieux wissen wir, dass sie in ihrer schweren Klosterzeit um ihren Platz in der Kirche gerungen hat. Endlich fand sie nach vielen dunklen Tagen und seelischen Wüstennächten ihren Ort in der Kirche: „ Jetzt habe ich endlich meinen Platz in der Kirche gefunden: Ich will die Liebe sein – das Herz der Kirche“ so ähnlich rief sie aus! Das Liebesgebot ist nicht auf caritatives Handeln eingeengt – so sehr es dazu gehört – es ist eine innere offene Grundhaltung, die auf das Wohl und Heil des anderen bedacht ist und aus der Einheit mit Christus entspringt.
„Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.“
Angesichts der Turbulenzen während der vergangenen Jahre bleibt vielleicht manchem von uns das Wort heilige Kirche im Halse stecken.
Die im Schoß der Kirche begangenen schweren Sünden sind aufgedeckt und haben einen unvergleichlich großen Schaden angerichtet. Dieser ist nicht erst durch die Veröffentlichung sondern durch das verbrecherische Tun entstanden.
Bei vielen von uns führt dies zu einer großen Verunsicherung und leider bei manchem schließlich auch zum Kirchenaustritt. Wie können wir guten Gewissens auch weiterhin im Glaubensbekenntnis von der einen heiligen Kirche sprechen?
Mich tröstet, wenn ich daran denke, dass Jesus seine Kirche auf die schwachen Schultern des heiligen Petrus gegründet hat. Petrus hat Jesus in dessen schwersten Stunden aus Feigheit verraten – und doch ist er der Fels. Das Geheimnis der Kirche liegt darin, dass in der menschlichen Schwachheit Gottes Kraft zum Zuge kommt und Christus der Fels und Grundstein der Kirche ist.
Gertrud von Le Fort hat in ihren Hymnen an die Kirche (1924) geschrieben:
„Und siehe, die Stimme deines Gesetzes spricht zu mir:
Was ich zerbreche, das ist nicht zerbrochen, und was ich in den Staub beuge, das hebe ich empor!
Ich bin dir gnadelos geworden aus Gnade und erbarmungslos aus Erbarmen:
Ich habe d ich überblendet, dass deine Grenzen verfließen,
Ich habe dich verschattet, dass du deine Schranken nicht mehr fändest.
Wie das Meer eine Insel verschlingt, so habe ich dich verschlungen,
dass ich dich hinausschwemmte ins Ew´ge.“ (St. Benno Verlag, Leipzig, 21)
Die Kirche hat eine sichtbare, endliche Seite, in der die Begrenzung und Sündhaftigkeit aufscheint. Aber sie besitzt auch die göttliche Dimension, in der die durch Gott geschenkte Heiligkeit an ihr endgültiges Ziel gekommen ist. Deshalb bleibt sie auch jetzt die heilige katholische Kirche.
Der Begriff katholisch ist nicht eng zu fassen. Er bedeutet vielmehr weltumspannend und hat das Ganze im Blick. Das Katholische steht im Unterschied zur Ortskirche für die Gesamtkirche. „Katholisch ist die Kirche, die in Einheit universal sich ausgebreitet hat“ lesen wir im Lexikon für Theologie und Kirche.
Dabei geht es aber auch um die dogmatische und sakramentale Vollkommenheit, die in der katholischen Kirche anzutreffen ist. So wurde dieser Begriff von den Konzilien bedacht und in das Glaubensbekenntnis aufgenommen.
Das Wort Apostolisch verrät schon in sich den Bezugspunkt zum Ursprung, denn darin steckt das Wort Apostel. Apostel sind die von Christus zur Verkündigung des Evangeliums Berufenen. Die Berufungsgeschichten werden uns im Neuen Testament ausführlich geschildert. Judas Iskariot, der Jesus den Hohen Priestern zur Kreuzigung ausgeliefert hatte, wird durch die Wahl des Matthias ersetzt. Später kommt der heilige Paulus durch das Damaskuserlebnis hinzu. In Galater 1,17 spricht er von den „Aposteln vor mir“ Er sagt selber von sich zu Beginn des ersten Römerbriefes: „Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, auserwählt, das Evangelium zu verkündigen, das er durch seine Propheten im voraus verheißen hat in den heiligen Schriften…“
Die zwölf Apostel sind der engste Jüngerkreis um Christus, auf den er seine Kirche aufbaute. Sie sind der Garant für die Reinheit der Lehre. Sie hatten – bis auf Paulus – mit Jesu gelebt, seine Predigten gehört und seine Wunder erlebt. Sie sind die authentischen von Christus berufenen Zeugen seiner Heilsbotschaft.
In der Offenbarung des Johannes wird berichtet, dass die Namen der zwölf Apostel auf den zwölf Grundsteinen der Mauer des himmlischen Jerusalems geschrieben stehen (vgl. Offb. 21,14).
Die heutigen Bischöfe sind Nachfolger der Apostel und stehen in der Sukzession der Weiheweitergabe durch die zwei Jahrtausende. Sie haben das Bild der Wüstenwanderung der Kirche mit dem Blick auf die Vollendung in Gott vor Augen.
Der jeweilige Papst ist der Nachfolger Petri und nimmt die sichtbare Stellvertretung Jesu Christi auf Erden wahr.
Priester, Bischöfe, ja selbst Päpste kommen und gehen. Christus, das Herz und die Mitte der Kirche, bleibt.
So ist die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche mehr als eine Institution, mehr als eine Organisation oder ein Globalplayer. Kirche ist der fortlebende Christus mit einer sichtbaren, erlebbaren Struktur und einem nicht aufschlüsselbaren Geheimnis der Verwurzelung im ewigen Gott.
Kirche lebt im Heute und im Jetzt und hat doch sogleich eine überirdische, in den Raum Gottes reichende Wurzel und Wirkung. Aber es steht auch fest: Kirche wird es nicht mehr geben, wenn das Reich Gottes seine Endgültigkeit erlangt hat. Dann wird Gott alles in allem sein.
Amen.