Würzburg (POW) Eine weitere Enttabuisierung des Themas Suizid haben anlässlich des Welt-Suizid-Präventionstags am 10. September Krisendienst, Telefonseelsorge, Gesprächsladen und die Selbsthilfegruppe für hinterbliebene Angehörige AGUS sowie das Aktiv-Büro Würzburg gefordert. „In der Öffentlichkeit wird der Suizid häufiger als früher thematisiert, wogegen es Familien nach wie vor schwerfällt, das Thema bei der Gefährdung eines Familienmitglieds anzusprechen. Dabei kann gerade ein offenes und verständnisvolles Gespräch helfen.“ Das hat Waltraud Stubenhofer, Leiterin des Krisendienstes, bei einem Pressegespräch am Dienstag, 7. September, in Würzburg betont. 95 Prozent der Menschen mit Selbsttötungsgedanken sprächen vorher darüber.
Bundesweit nehmen sich jährlich rund 11.000 Menschen das Leben, die Dunkelziffer nicht eingerechnet. Vor allem Jugendliche und ältere Menschen sind besonders betroffen: In Stadt und Landkreis Würzburg nimmt sich nach Angaben des Krisendienstes fast jede Woche ein Mensch das Leben. „Es ist sehr wichtig, dass in der Öffentlichkeit über das Thema gesprochen wird“, betonte Stubenhofer mit Blick auf die Zahlen. Es könne niemand ausschließen, nicht selbst eines Tages Selbsttötungsgedanken zu entwickeln. Psychische Erkrankungen oder Suchtkrankheiten seien lediglich Risikofaktoren. „Manche Menschen geben den Angehörigen und den verschiedenen Diensten keine Chance zu helfen. Wichtig ist aber, auf versteckte Hinweise zu achten und Hilfe anzubieten, wenn Betroffene einen Suizid andeuten“, unterstrichen Stubenhofer und ihre Kollegin beim Krisendienst, Sonja Liebig. Ziehe eine Person sich zunehmend zurück und entwerte sich selbst, kreise sie nur noch um sich selbst und ihre Probleme oder erkundige sie sich nach Wegen der Selbsttötung, so seien das alles ernst zu nehmende Warnsignale.
Eng vernetzt ist der Krisendienst mit der Telefonseelsorge, der Selbsthilfegruppe AGUS (Angehörige um Suizid), dem Gesprächsladen und anderen kirchlichen Einrichtungen in Würzburg. Der Vorteil dieser Dienste gegenüber medizinischen Fachstellen liegt auf der Hand: „Wir können sehr schnell Hilfe anbieten, während bei Psychotherapeuten zum Teil wochenlange Wartezeiten nötig sind“, erklärte Ruth Belzner, Leiterin der Telefonseelsorge Würzburg. Nach ihren Erfahrungen nehmen die Themen Suizid und psychische Erkrankungen zu. Gründe sieht sie zum einen in der Aufklärungsarbeit, die zur Enttabuisierung beitrage, zum anderen mache die Situation am Arbeitsplatz zahlreiche Menschen krank. „Zu uns kommen Manager wie auch einfache Arbeiter“, berichtete Liebig aus dem Alltag des Krisendiensts.
Hilfen für trauernde Angehörige bietet die Selbsthilfegruppe AGUS. Nach Angaben von Dietlind Marsch und Helga Mend sind die Treffen, die jeden zweiten Dienstag im Monat im Selbsthilfehaus der Stadt Würzburg von 18.30 bis 20.30 Uhr stattfinden, offen und ohne Verpflichtung. Beide ermutigten, den Suizid eines Angehörigen nicht zu verschweigen, sondern offen damit umzugehen. Eine Gruppe sei für Menschen, die den Partner durch Suizid verloren, die andere für hinterbliebene Großeltern, Eltern und Kinder. „Es ist vor allem wichtig, dass Menschen, die jemanden aus dem engsten Umfeld durch Selbsttötung verloren haben, einmal mit anderen über die Vorwürfe sprechen können, die sie sich selbst machen oder die von außen an sie herangetragen werden“, sagte Marsch. Mit Blick auf steigende Zahlen beim Alterssuizid nannte Mend vor allem die Vereinsamung und die Altersarmut als Ursachen. Problem bei älteren Menschen sei, dass diese sich oft nicht trauten, Hilfe anzufragen. Die Dunkelziffer der Suizide im Alter sei sehr hoch.
Krisendienst, Telefonseelsorge, Gesprächsladen und AGUS informieren am Welt-Suizid-Präventionstag, Freitag, 10. September, von 14.30 bis 16.30 Uhr an einem Stand vor der Augustinerkirche am Dominikanerplatz über ihre Angebote. Um 17 Uhr findet unter dem Motto „Verbirg nicht Dein Gesicht vor mir“ im Kreuzgang des Augustinerklosters eine meditative Andacht für von Suizidalität Betroffene statt. Im Buchladen Neuer Weg, Sanderstraße 23-25, liest Helga Mend um 20.15 Uhr aus ihrem Buch „Ein letzter Brief zum Abschied“, ein Gespräch schließt sich an. Am Freitag, 10., und am Samstag, 11. September, gibt es jeweils ab 10 Uhr einen Infostand und Büchertisch zum Themenbereich Suizidalität und Trauerbewältigung in der Würzburger Stadtbücherei im Falkenhaus.
Der Krisendienst am Kardinal-Döpfner-Platz 1 in Würzburg ist telefonisch unter 0931/571717 erreichbar, Internet www.krisendienst-wuerzburg.de. Die Telefonseelsorge ist gebührenfrei rund um die Uhr unter 0800/1110111 oder 0800/1110222 erreichbar. Der Gesprächsladen am Dominikanerplatz ist von Montag bis Freitag von 10 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr – mit Ausnahme des Mittwochnachmittags – geöffnet. Nähere Informationen zur AGUS im Internet unter www.agus-selbsthilfe.de.
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