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„Musik kündet letztlich von Gott“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann zum Aschermittwoch der Künstler am 9. März 2011 in der Pfarrkirche Sankt Adalbero in Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder,

Musik ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens, und wir alle haben mit der Musik unsere eigenen Erfahrungen gemacht. Es ist nicht abzuschätzen, was wir vermissen würden, wenn es keine Musik mehr gäbe. Gerade hier im Frankenland spielt die Musik eine besondere Rolle. In wie vielen – auch kleinen – Ortsgemeinschaften gibt es unterschiedliche Musikgruppen, wie zum Beispiel Blasorchester, engagieren sich selbst junge Menschen mit erstaunlicher Ausdauer.

Es ist interessant, kleine Kinder zu beobachten, wenn Musik erklingt. Sie horchen, beginnen den Takt zu schlagen oder wiegen sich im Rhythmus. Musik dringt offensichtlich weiter vor als Worte.

Rainer Maria Rilke hat in einem Vers seines Gedichtes ‚An die Musik’ das Wesen der Musik aufleuchten lassen: „Musik – Du Sprache wo Sprache enden.“ Offensichtlich ist die Musik in der Lage, den Menschen in der Seele zu treffen.

„Was ist die Musik?“ – fragte Heinrich Heine – „Sie steht zwischen Gedanken und Erscheinung; als dämmernde Vermittlerin steht sie zwischen Geist und Materie; sie ist beiden verwandt und doch von beiden verschieden: sie ist Geist, aber Geist, welcher eines Zeitmaßes bedarf; sie ist Materie, aber Materie, die des Raumes entbehren kann.“

Musik ist eine Sprache, die international ist. Um sie zu verstehen, brauche ich keine Vokabeln zu erlernen. Aber ich brauche ein offenes Herz. „Wo man singt, da lass dich nieder; böse Menschen haben keine Lieder“, sagt uns ein altbekanntes Sprichwort.

Musik ist eine Sprache der Herzen. Sie schlägt den Bogen aus der Geschöpflichkeit in die unerschaffene Wirklichkeit.

Musik übersteigt rational logisch erfassbare Wirklichkeit in das Geheimnis Gottes hinein. Musik kündet letztlich von Gott.

Musik umspannt die ganze Breite menschlicher Empfindungen: von der tiefsten Trauer bis hin zu unbeschreiblicher Freude.

Noch vor wenigen Tagen konnte man in der FAZ in der Überschrift zum Berliner Konzert Sokolows lesen: „Noten sind wie Tränen.“ Und im Text hieß es: „Auftritte des Pianisten Grigorij Sokolow sind stets beseligend und erschreckend zugleich. Sie führen uns vor, wie das Glück des Lebens und der Kunst einzig im erfüllten Augenblick besteht, der die Zeitlichkeit braucht, um Ereignis zu werden, aber durch diese Zeitlichkeit zugleich seine Begrenzung erfährt, die ihn ebenso endlich wie kostbar macht.“

Die Unruhe, die im Ungenügen des nur erlebbaren Augenblicks deutlich wird, legt unausgesprochen das Augenmerk auf den Überstieg in die Zeitlosigkeit. Das scheint mir das Geheimnis von Musik zu sein: Sie stammt letztlich aus der Schöpferkraft Gottes, bringt unsere Seele zum Klingen und schenkt uns eine Ahnung von Unendlichkeit, ja Ewigkeit.

Es ist deshalb auch kein Wunder, dass die Musik innerhalb der Liturgie der Kirche eine große Rolle spielt. So heißt es im ‚Sacrosanctum Concilium’: „Die überlieferte Musik der Gesamtkirche stellt einen Reichtum von unschätzbarem Wert dar, ausgezeichnet unter allen übrigen künstlerischen Ausdrucksformen vor allem deshalb, weil sie als der mit dem Wort verbundene gottesdienstliche Gesang einen notwendigen und integrierenden Bestandteil der feierlichen Liturgie ausmacht.“

Wenn wir vom Himmel sprechen, dann doch zumeist im Zusammenhang mit der Musik. Wir sprechen von den Chören der Engel, die Gottes Thron umstehen, musizieren und singen.

Am Ende mancher Präfation in der Liturgie werden wir aufgefordert: „Darum singen wir mit den Engeln und Erzengeln, den Thronen und Mächten und mit all den Scharen des himmlischen Heeres den Lobgesang von deiner göttlichen Herrlichkeit: Heilig, heilig, heilig…“

Als die Orgel als das königliche Musikinstrument unter Kaiser Karl dem Großen in unsere Liturgie eingeführt wurde, fand in der Kirche ein Instrument Platz, das seine Vorrangstellung bis heute beibehalten konnte. Die Vielfalt und Fülle der damit verbundenen Ausdrucksformen dürfen wir ja auch heute wieder erleben.

Großartige Kompositionen vieler Jahrhunderte lassen auch heute die Herzen der Gottesdienstbesucher höher schlagen. Wie viel ist unsere Liturgie durch grandiose Musik bereichert worden. Zahlreiche Meßkompositionen – und das erleben wir herausragend aufgeführt auch in unserem Würzburger St. Kiliansdom – lassen uns den Atem der Ewigkeit spüren.

In den letzten hundert Jahren wurde der Dialog zwischen der Kirche und der zeitgenössischen Musik – ebenso wie in der bildenden Kunst – nur mühsam geführt. Die zu Beginn des 19. Jahrhunderts einseitige Bindung der Kirche an den neoromanischen Baustil, (den wir auch hier in St. Adalbero erleben,) aber auch an den neogotischen Baustil und die enge Anlehnung an die Gregorianik mag mit der Sorge um die innere Einheit der weltumspannenden essclesia catholica verbunden gewesen sein.

Mit dem Zweiten Vatikanum vollzieht sich der Wandel:

Jetzt rückt der Mensch mehr in den Blick. Es gilt, ihn in seiner Lebenswirklichkeit wahrzunehmen. Der Theologie kommt dabei die Aufgabe zu, den Menschen mit seinen Fragen im Blick auf sein Heil abzuholen und in den Raum Gottes hineinzuführen. Kunst – und damit auch Musik – soll im Kirchenraum nicht museal behandelt werden. Sie soll vielmehr in ihrer Eigenwirksamkeit erkannt und gefördert werden. Das Konzil betont: „Der Schatz der Kirchenmusik möge mit größter Sorgfalt bewahrt und gepflegt werden, besonders an den Kathedralkirchen.“ Dabei legt sich das Konzil nicht auf bestimmte Stilrichtungen fest, sondern betont: „Dabei billigt die Kirche alle Formen wahrer Kunst, welche die erforderlichen Eigenschaften besitzen, und lässt sie zur Liturgie zu.“

In einem Werkstattgespräch der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken 2002 auf Schloß Hirschberg, das unter dem Thema „Musik – Sprache wo Sprachen enden“ stand, wurden die Möglichkeiten „zwischen künstlerischer Autonomie und kirchlichen Erwartungen“ eindrucksvoll ausgelotet.

Liebe Schwestern und Brüder,

am heutigen Aschermittwoch stehen wir am Beginn der vierzigtägigen Fastenzeit. Dies ist eine Zeit der Besinnung und der Umkehr. Wir werden auf einen Gott verwiesen, der – wie es in der ersten Lesung heißt: „gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Güte“ ist. Die äußere und innere Reinigung zielt auf eine Versöhnung mit Gott. Wir dürfen uns bewusst machen, dass jetzt eine Zeit der Gnade beginnt. Das, was uns in der Musik an Vernetzung von Diesseits und Jenseits, von dem Erlebnis der Flüchtigkeit des Augenblicks und der Beständigkeit Gottes ermöglicht wird, soll in unsere eigene Lebenserfahrung einfließen. Gott will wahrhaftige Menschen, die aufrichtig und klar den Glauben leben. Der Evangelist Matthäus überlieferte uns ein Wort Jesu: „Du aber salbe dein Haar, wenn du fastest, und wasche dein Gesicht, damit die Leute nicht merken, dass du fastest, sondern nur dein Vater, der auch das Verborgene sieht; und dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“ Gott durchdringt auch das Verborgene. Lassen wir uns ohne wenn und aber auf ihn ein.

Amen.