Würzburg (POW) Aktuelle Ergebnisse aus Bibelwissenschaft und Theologie Schülern spannend und nachhaltig vermitteln: Darauf zielt das Projekt Exegesewerkstatt ab, das seit 2010 vom Denkwerk-Programm der Robert-Bosch-Stiftung gefördert wird. 2012 kamen erneut mehr als 100 Gymnasiasten der 10. und 11. Jahrgangsstufen zu zwei Studientagen an die Universität Würzburg. Thema diesmal: „Maria Magdalena – Fiktion und Wirklichkeit“. Angeleitet von den Mitarbeitern des Lehrstuhls für neutestamentliche Exegese der Katholisch-Theologischen Fakultät unter der Leitung von Professor Dr. Bernhard Heininger befassten sich die Jugendlichen der Würzburger Matthias-Grünewald-, Riemenschneider- und Wirsberg-Gymnasien sowie des Erlanger Ohm-Gymnasiums mit unterschiedlichen Facetten der biblischen Figur Maria Magdalena. „Die Gymnasiasten kamen als Schüler und gingen als junge Forscher“, zog Heininger ein positives Fazit der Studientage.
Geheimnisvolle Frau, Geliebte und Ehefrau Jesu, Mutter der gemeinsamen Tochter Sarah, Verfasserin eines Evangeliums der Maria – so „verkaufte“ Dan Browns Krimi „Da Vinci-Code“ (Sakrileg) Maria Magdalena einem breiten Publikum aller Altersklassen, auch den Schülern. Die beiden Hauptfiguren des Films, Professor Robert Langdon, Harvard-Spezialist für Symboldeutung (Symbologie), und Sophie Neveu, Verschlüsselungsexpertin der Pariser Polizei, stoßen bei ihren Recherchen immer wieder auf verborgene Zeichen und Symbole in den Werken Leonardo da Vincis. Auch angeblich geheime Erkenntnisse über Maria Magdalena und ihre Liebesbeziehung zu Jesus sind dabei von Bedeutung. Durch die Filmfigur des Gralsexperten Leigh Teabing vermittelt Brown solches „Exklusivwissen“ literarisch geschickt und mit vermeintlicher Wissenschaftlichkeit. So werden „revolutionäre“ Erkenntnisse präsentiert, die zum einen auf den Heiligen Gral hindeuten, zum anderen die These aufstellen, dass Jesus und Maria Magdalena eine gemeinsame Tochter hatten. Anhand einer Filmsequenz, in der Maria Magdalena eine besondere Rolle spielt, arbeiteten die Schüler in einem ersten Schritt die Aussagen des Films über diese Figur heraus.
Anschließend wurden die Film-Aussagen, die sich auf das Philippus-Evangelium und das Evangelium der Maria berufen, kritisch an den Originaltexten kontrolliert. Auf diese Weise machten sich die Schüler mit den für sie unbekannten apokryphen Evangelien vertraut, klärten die näheren Umstände ihrer Entstehung und arbeiteten heraus, wie sich jeweils Maria Magdalena charakterisiert zeigt. Es stellte sich heraus, dass sie in den gnostischen Schriften, die teilweise bis ins zweite Jahrhundert zurückreichen, noch durchwegs positiv dargestellt wird. In einem weiteren Schritt verglichen die Schüler diese Ergebnisse mit dem Bild, das die so genannten kanonischen Evangelien zeichnen – also das Markus-, Matthäus-, Lukas- und Johannes-Evangelium. In diesen Schriften, die älter als die apokryphen Evangelien sind, wird Maria Magdalena unter anderem von „sieben Dämonen“ befreit und gehört zu den engsten Anhängern Jesu. Auffällig ist dabei ihr Name „Maria, genannt Magdalenerin“, eine damals für eine jüdische Frau ungewöhnliche Identifizierung. Denn normalerweise wurden Frauen über ihre Väter, Ehemänner oder Brüder identifiziert. Maria hingegen wird nach ihrem Herkunftsort, dem Städtchen Magdala, benannt. Das lässt darauf schließen, dass sie unverheiratet war und ihr dieser Name erst nach dem Weggang aus ihrer Heimatstadt gegeben wurde. Besonderes Gewicht erlangt Maria Magdalena in der Passionsgeschichte: Sie wohnt – von ferne – der Kreuzigung Jesu bei, entdeckt das leere Grab und ist die erste Osterzeugin.
An den Studientagen konnten die Schüler universitäres Arbeiten erfahren; sie lernten Bibliothek, Hörsaal und beim Mittagessen auch die Mensa kennen. Die Gymnasiasten erarbeiteten sich selbstständig und mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden fundierte Informationen über die Figur der Maria Magdalena und das Bild Maria Magdalenas im frühen Christentum. „Die Schüler entdecken dabei eine andere, für sie oftmals überraschende Seite des frühen Christentums der ersten beiden Jahrhunderte“, erläuterte Heinz Blatz von der Universität Würzburg. Mit dem Evangelium der Maria (Magdalena) und dem Philippus-Evangelium kamen an den Studientagen Texte zur Sprache, die nicht nur ein Fenster zu einem weitgehend fremden Überlieferungsstrang des frühen Christentums öffnen, sondern auch Bücher oder Filme – zum Beispiel die von Dan Brown – besser verstehen lassen. Außerdem erhielten die Schüler bei Führungen im Museum am Dom einen weiterführenden Einblick in die Wirkungsgeschichte in der Kunst, hier vor allem am Beispiel mehrerer Abendmahlsdarstellungen.
(1712/0457; E-Mail voraus)
Hinweis für Redaktionen: Foto abrufbar im Internet