Würzburg (POW) „Es geht darum, das Herz und den Geist zu bilden, damit die Jugendlichen die Kraft und das Werkzeug haben, ihren eigenen Lebensplan zu verwirklichen“, erklärt Daysi Rodríguez aus San Salvador. Die 33‑Jährige koordiniert das Projekt „Mein Lebensplan“ in El Salvador, das Jugendliche bei ihrer Zukunftsplanung unterstützen soll. „Mein Lebensplan“ ist eines der beiden Beispielprojekte, die bei der diesjährigen Misereor-Fastenaktion unter dem Titel „Mach was draus: Sei Zukunft!“ im Mittelpunkt stehen. Als Projektpartnerin macht Rodríguez aktuell im Bistum Würzburg auf die schwierige Situation der Jugendlichen in El Salvador aufmerksam und zeigt auf, wie ihnen eine Zukunftsperspektive geboten werden kann.
In der Gesellschaft von El Salvador herrsche ein hoher Gewaltpegel, erklärt Rodríguez. Vor allem das Bandenphänomen, das im nördlichen Dreieck – Guatemala, Honduras und El Salvador – sehr verbreitet sei, bestimme den Alltag der Jugendlichen. Von sechs Millionen Einwohnern seien rund 60.000 in Banden eingebunden. „Das ist nicht sehr einfach, wenn man zum Beispiel von A nach B will, aber feindliches Bandengebiet durchlaufen müsste.“ Eine hohe Schulabbrecherquote, die schwierige wirtschaftliche Situation und die große Armut im Land deprimierten die Jugendlichen sehr und führten zu Hoffnungslosigkeit. Rund 50 Prozent der Menschen in El Salvador seien unter 25 Jahre alt. „Die Jugendlichen sind die, die am schlimmsten unter den gesellschaftlichen Entwicklungen leiden.“
Um den Jugendlichen trotzdem eine Perspektive aufzuzeigen, bietet die Caritas des Erzbistums San Salvador seit 2012 das Projekt „Mein Lebensplan“ an. Vier Monate lange erlernen die Teilnehmer in einem Kurs am Wochenende vor allem sogenannte Soft Skills. Das Projekt soll die Jugendlichen befähigen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. „Sie sollen Herr oder Frau ihrer eigenen Entscheidungen werden“, sagt Rodríguez. Dazu durchlaufen sie vier Module, die sich mit den Lebenskompetenzen, den Fähigkeiten für den Arbeitsmarkt, den unternehmerischen Fähigkeiten und der Stärkung der Familien beschäftigen. „Hier werden vor allem Fähigkeiten erlernt, die in der Schule nicht gelehrt werden können.“
Als Ergebnis des Kurses erhalten die Jugendlichen einen eigenen Lebensplan und können anschließend einen von drei Wegen einschlagen. Ein Weg führe in eine weitere Ausbildung, zum Beispiel in eine Fachausbildung als Elektriker oder Mechaniker oder nochmal in eine schulische Ausbildung, um weitere Fähigkeiten zu erlernen. Der zweite Weg sei für Jugendliche, die direkt ein Einkommen benötigen. „Sie entwickeln im Kurs eine Geschäftsidee, und wir helfen ihnen mit einem kleinen Anschubkapital auf die Sprünge und unterstützen sie bei ihrer Idee.“ Die dritte Option sei, eine Anstellung zu finden.
Alexander Sitter, Referent der Diözesanstelle Mission-Entwicklung-Frieden im Bistum Würzburg, begleitet Rodríguez bei ihren Vorträgen. Ihn hat es sehr bewegt, als er erfuhr, dass die Jugendlichen nach dem Kurs zum ersten Mal ein Zertifikat erhalten. „Sie haben zum ersten Mal eine offizielle Bestätigung in der Hand, die aussagt, dass sie etwas geleistet haben und etwas wert sind.“
Rodríguez berichtet von Rosa Ramirez, die lange Zeit nach ihrem Schulabschluss keine Arbeit fand und zusätzlich noch an einer Behinderung litt. „Sie hatte ein niedriges Selbstwertgefühl und war sehr entmutigt“, erzählt Rodríguez. Mit Hilfe von „Mein Lebensplan“ entdeckte sie jedoch ihre Stärken und bekam Selbstbewusstsein. Als persönlichen Lebensplan hat sie sich vorgenommen, Kassiererin zu werden. Da sie nicht direkt eine Anstellung gefunden hat, zog sie sich eine kleine Hühnerzucht auf, um vorerst ein bisschen Geld zu verdienen. „Mit kleinen Schritten näherte sie sich ihrem Ziel und fand schließlich eine Anstellung in einem Eisenwarenhandel.“
Stolz erzählt Rodríguez, dass inzwischen 500 Jugendliche das Projekt besucht haben, von denen 85 Prozent erfolgreich einen der drei Wege eingeschlagen sind. Den Vorteil gegenüber anderen Hilfsorganisationen, die oft nur einzelne bestimmte Fachausbildungen anbieten, sieht sie darin, dass den Jugendlichen auf verschiedene Weise geholfen werde. Ihnen werde eine Zukunftsperspektive entsprechend ihren Fähigkeiten aufgezeigt. Sie lernten zudem, ihr Recht auf Bildung und Arbeit durchzusetzen. Für sie persönlich seien ihre Familie und ihr kleiner Sohn ein wichtiger Antrieb, dem Land und den Jugendlichen eine bessere Zukunft zu eröffnen, sagt Rodríguez.
„Wir wollen die Weltkirche zu uns in die Diözese holen“, erklärt Sitter. Er freut sich, dass Rodríguez anlässlich der Misereor-Fastenaktion in den Schulen und Gemeinden im Bistum Würzburg authentisch das Projekt „Mein Lebensplan“ vorstellt und von ihrer Arbeit berichtet. Höhepunkte der Fastenaktion ist der fünfte Fastensonntag, der Misereor-Sonntag am 7. April. In den Gottesdiensten werden die Gottesdienstbesucher über die Arbeit von Misereor informiert und um eine Spende als Zeichen ihrer weltweiten Solidarität gebeten.
Weitere Informationen über die Misereor-Fastenaktion 2019 „Mach was draus: Sei Zukunft!“ gibt es im Internet unter www.fastenaktion.misereor.de oder bei der Diözesanstelle Mission-Entwicklung-Frieden unter www.mef.bistum-wuerzburg.de.
rh (POW)
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