Würzburg (POW) Andere Länder, andere Sitten. In der Interviewserie „Weihnachten in aller Welt“ erzählen im Bistum Würzburg tätige ausländische Seelsorger von Weihnachten und den damit verbundenen Bräuchen in ihrer ursprünglichen Heimat. Vizeoffzial Dr. Endre Koncsik, seit 1981 Seelsorger für die ungarischen Katholiken im Bistum Würzburg, berichtet über Weihnachten in Ungarn.
POW: Wie sieht der typische Heilige Abend in Ihrer Heimat aus?
Dr. Endre Koncsik: Die Feier des Heiligen Abends verläuft in Ungarn ähnlich wie in Deutschland. Es gibt aber auch kleine Unterschiede, das heißt einige spezielle ungarische Bräuche: Am Vormittag wird der Weihnachtsbaum geschmückt. Bereits am frühen Abend beginnt an diesem Tag das Abendessen. Es gibt die typischen Heiligabendgerichte: Bobajka (eine Mehlspeise) sowie Fisch und als Nachspeise Mohn- oder Nussstrudel, Plätzchen eher weniger. Anschließend findet die Bescherung unter dem Weihnachtsbaum statt. Vorher wird natürlich ein Weihnachtslied gesungen. In den Dörfern gehen die Krippenspieler – sowohl Erwachsene als auch Kinder – spätabends von Haus zu Haus. Am Eingang fragen sie: „Darf man hier Gott lobpreisen?“ Dann singen sie ein bis zwei Weihnachtslieder, bekommen kleine Spenden oder Geschenke und ziehen weiter. Nach dem gemütlichen Beisammensein besucht die Familie gemeinsam die Mitternachtsmesse, die ebenso wie in Deutschland feierlich gestaltet und durch schöne Chormusik untermalt wird.
POW: Wie sehen der Weihnachtsbaum und die Krippe aus?
Koncsik: Der Weihnachtsbaum wird in Ungarn wesentlich farbenprächtiger geschmückt und vor allem mit vielen Salonzuckerln, einer in buntes Glitzerpapier eingewickelten Süßigkeit, dekoriert. Dazu kommen noch Lametta, Wunderkerzen und Lichterketten, so dass man nicht mehr viel von der grünen Tanne sieht. Die Krippe unter dem Weihnachtsbaum gestaltet man wesentlich kleiner als hier, aber in den Kirchen ebenso groß wie in Deutschland. Die Gläubigen wandeln in den folgenden Tagen durch die verschiedenen Kirchen, um sich an den unterschiedlichen Krippen zu erfreuen.
POW: Welche besonderen Lieder gehören zu einer typischen Weihnachtsfeier?
Koncsik: Zu den typischen Weihnachtsliedern gehört das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ in seiner ungarischen Übersetzung, aber auch echte ungarische Lieder über die Freude, dass unser Heiland geboren wurde, sowie über den Frieden in der Welt.
POW: Wer bringt bei Ihnen die Geschenke?
Koncsik: In Ungarn bringt ausschließlich das Christkind die Geschenke. Ein so genannter „Weihnachtsmann“ ist dort unbekannt.
POW: Was vermissen Sie in Deutschland an Weihnachten am meisten?
Koncsik: Hier in Deutschland fehlen mir persönlich an Weihnachten die ungarischen Weihnachtslieder, der bunte Weihnachtsbaum, die typischen ungarischen Speisen und natürlich am meisten meine riesige Familie. Meine beiden Schwestern, die beide mit griechisch-katholischen Pfarrern verheiratet sind, haben insgesamt neun Kinder und 23 Enkel.
POW: Welche Anregungen für Weihnachten haben Sie in Deutschland schätzen gelernt?
Koncsik: Mir gefällt hier in Deutschland besonders die Weihnachtsliturgie. Es ist ein Erlebnis für mich, wenn in der Kirche am Ende der Messe alles verdunkelt und das Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen wird. Außerdem schätze und bewundere ich das Engagement für die Menschen am Rande der Gesellschaft, für das viele Leute sich in dieser Zeit opferbereit und freudig einsetzen.
Zur Person:
Dr. Endre József Konczik (68) ist Vizeoffizial der Diözese Würzburg. Er wurde in Gáva in Ungarn geboren. Nach Studium an der griechisch-katholischen theologischen Hochschule in Nyiregyháza und Heirat wurde er am 18. August 1968 in Nyiregyháza zum Priester des griechisch-byzantinischen Ritus‘ geweiht. Ergänzende Studien führten ihn an die Katholisch-theologische Akademie in Budapest, wo er auch promovierte. Ab 1968 war Koncsik Kaplan in Miskolc, einer großen Industriestadt im Norden Ungarns, und arbeitete am Kirchlichen Gericht der Diözese Hajdudorog als Diözesanrichter. 1980 floh er politisch bedingt aus Ungarn und kam nach Deutschland. 1981 wurde er als Priester in die Diözese Würzburg aufgenommen und wurde Prosynodalrichter am Kirchlichen Gericht und Ehebandverteidiger. Seit 1981 ist er zugleich Seelsorger für die ungarischen Katholiken und hilft in verschiedenen Gemeinden mit. 1990 ernannte ihn der Bischof zum Vizeoffizial der Diözese Würzburg.
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