Liebe Schwestern und Brüder,
die Frage nach Gott durchzieht die ganze Menschheitsgeschichte. Erst in jüngerer Zeit wird seine Existenz grundsätzlich angezweifelt. „Gibt es ihn – wirklich?“, höre ich immer wieder.
Selbst meine Verweise, dass Gott sich in seiner großen Schöpfung, in der Geschichte der Menschen, durch sein Wort und sein Eintreten in Jesus Christus offenbart hat, wird oft genug mit einem inneren Achselzucken fragend stehen gelassen.
Schauen wir auf das Weltall, dann kommen wir nicht an der Frage umhin: „Woher kommt es?“ Die scheinbare Antwort des ‚Urknalls’ gibt letztlich keine Antwort – denn woher kommt der ‚Urknall’? Wer hat ihn in Bewegung gesetzt? Wie entsteht aus dem Nichts Materie?
Woher kommen die Naturgesetze? Wir finden sie vor, sind aber nicht in der Lage, sie zu erschaffen. Die Wissenschaftler aller Zeiten können keine Naturgesetze machen. Sie können sie nur aufspüren, erkennen und anwenden. Dadurch geschieht Fortschritt. Aber wir sehen heute ja auch, wie sehr beim fortschrittlichen Erkennen wir an Grenzen stoßen, die uns fragen lassen „Was darf der Mensch? Wie weit darf er gehen, ohne sich gegen die vorgefundene Naturordnung zu stellen? Wo pervertiert der Mensch die ihn tragende Ordnung?
Diese Fragen schließen Anfang und Ende des menschlichen Lebens ebenso ein, wie Akzeptanz eines jeden menschlichen Lebens, Würde eines jeden einzelnen Menschen, Achtung vor Mann und Frau und der von Gott vorgegebenen Ehe.
Die In-Zweifel-Setzung der Existenz Gottes bringt eine Auflösung eines menschlichen Wertekanons mit sich, der gerade in unseren Tagen eine Vielzahl von Problemfeldern offenlegt und uns schmerzlich belastet.
Dabei hat Gott sich auch in der Menschheitsgeschichte immer wieder und zuspitzend geoffenbart: Besonders im auserwählten Volk, in den Propheten, in Abraham, Moses und vielen anderen Frauen und Männern bis hin zur Menschwerdung in Jesus Christus. Nicht ohne Grund bezeichnen wir diesen geschichtswendenden Moment „Als die Fülle der Zeiten gekommen war…“ als den Augenblick, an dem das Weltall innehält und den Zeitpunkt, von dem aus wir unsere Zeit vor und nach Christus einteilen. Sein Wort ist uns – wenn auch in menschlicher Sprache – überliefert. Das göttliche Wort ist Mensch geworden. Christus hat uns so von Gott als unserem Vater gesprochen, dass wir vollkommen neue Einsichten gewinnen konnten. „Woher hat er das alles?“, fragten ihn seine Zeitgenossen?
Gottes Wort ist nicht nur nachlesbar in der Bibel zusammengetragen, es wird auch immer wieder neu verkündet. Dabei handelt es sich nicht nur um ein menschliches Wort, das man hört und wieder vergisst, sondern um ein die Wirklichkeit veränderndes Wort. Unser Heiliger Vater spricht davon, dass das Wort Gottes nicht nur informativ, sondern performativ sei, das heißt, dass das Wort in sich die Kraft hat, einen Menschen zu verändern. Es ist aber auch als die Weise zu verstehen, in der Gott seine Gegenwart durch seine heilsmächtigen Sakramente fortsetzt.
Ich weiß nicht, liebe Schwestern und Brüder, wie Sie vom Wort Gottes getroffen und verändert wurden. Von großen Heiligen wie dem heiligen Benedikt, Augustinus, Kilian und Franziskus ist uns überliefert, dass sie von einem Satz der Heiligen Schrift, den sie gelesen oder gerade im Gottesdienst gehört hatten, so getroffen wurden, dass sie daraufhin ihr ganzes Leben umgestellt haben.
Entscheidend für unsere Mitmenschen ist es, dass wir als erlebbare, hörbare, anfassbare Zeugen des lebendigen Gottes glaubwürdig sind.
Der Tag des geweihten Lebens ist nicht ohne Grund auf den heutigen Festtag gelegt worden.
Beim Propheten Maleachi heißt es: „Seht, ich sende meinen Boten; er soll den Weg für mich bahnen. Dann kommt plötzlich zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Bote des Bundes, den ihr herbeiwünscht. Seht, er kommt!, spricht der Herr der Heere.“ (Mal 3,1)
Der Herr kommt nicht nur in den Tempel, nicht nur in unsere Kirchen, sondern in jeden von uns! Er braucht deshalb Boten, die seine Gegenwart aus ihrem Leben heraus bezeugen.
Durch die Taufe und Firmung nimmt er für immer bei uns Wohnung. So ist der, den das Weltall nicht fassen kann, derjenige, der in unserem Herzen verweilt, der unsere Gedanken wahrnimmt und unsere Schritte begleitet.
Wer sich so in der Liebe Gottes geborgen weiß, ist auch in der Lage, sich Gott zurückzuschenken, das heißt doch: sich Gott zu weihen.
Gerade heute ist es wichtig, dass sich Frauen und Männer Gott anheim geben. Sie können dann durch ihr gelebtes Glaubenszeugnis für andere Menschen zu seinen Botinnen und Boten werden.
Liebe Schwestern und Brüder, es ist müßig, die heutige Situation der Kirche zu bejammern. Die Kraft zur Re-Evangelisierung kommt nicht aus veränderten Strukturen. Sie kommt vielmehr aus dem Glaubenszeugnis einzelner.
Schauen Sie in die Geschichte: Wer hat die Kirche erneuert und durch Krisenzeiten hindurch verlebendigt? Männer wie der heilige Franziskus, der radikal sich selbst im Sinne des Evangeliums verändert hat; Frauen, wie die heilige Theresa von Avila, die in ihrer mystischen Verankerung sich selbst zum Katalysator des gegenwärtigen Gottes gemacht hat. Beide – und viele andere – haben sich selbst Gott ausgeliefert, ohne Wenn und Aber und sind damit zum Salz der Erde und zum Licht auf dem Berge geworden.
Die Darbringung Jesu im Tempel ist nicht nur ein Einlösen einer alttestamentlichen Verpflichtung, sondern ein Anruf an uns, Gott, der sich in uns hinein begeben hat, dankbar wahrzunehmen und zu bekennen.
Die Frage nach der Realität Gottes, die viele unserer Mitmenschen – auch und gerade junge Menschen – stellen, wird sich aus deren Sicht gerade in den Zeuginnen und Zeugen seiner Liebe klären lassen. Wenn Menschen sich Gott weihen und damit ihren Glauben an Ihn durch ihre Lebenshingabe bezeugen, ist dies ein starker Anreiz, sich mit der Gegenwart Gottes auseinanderzusetzen.
Für uns bedeutet dies aber nicht zusätzliche Last und Anstrengung, sondern die Möglichkeit, seine Nähe unmittelbarer und ganz persönlich zu erfahren.
Ihnen allen möchte ich für Ihr treues Glaubens- und Lebenszeugnis danken! Danken wir gemeinsam Gott, dass er uns berufen hat, Ihn in dieser Zeit und an diesem Ort zu bezeugen.
Er, der das Gute begonnen hat, wird es auch vollenden. Amen.