Würzburg (POW) „Kess“, das kann als Synonym für „frech“ stehen. Eine Eigenschaft, die sich Eltern von ihren Kindern sicher nicht wünschen. „Kess“ kann aber auch eine Abkürzung sein: kooperativ, ermutigend, sozial, situationsorientiert. Vier Eigenschaften, die für eine harmonischer Eltern-Kind-Beziehung stehen können. Genau das ist Ziel der Kurse „Kess erziehen“, die 2002 in Deutschland eingeführt wurden und seit 2005 in der gesamten Diözese Würzburg angeboten werden. Jetzt wurde die Nachhaltigkeit der Erziehungskurse für Eltern vom Münchener Institut für Forschung und Ausbildung in Kommunikationstherapie nachgewiesen.
„Wir möchten die Beziehung zwischen Eltern und Kindern stärken“, sagt Elisabeth Amrhein, Bildungsreferentin beim Familienbund der Katholiken im Bistum Würzburg. Bei Problemen sollen die Eltern gemeinsam mit ihrem Nachwuchs nach Lösungen suchen, indem sie die Bedürfnisse der Kinder verstehen und angemessen und konsequent agieren. Das lernen die Erwachsenen an fünf Abenden, auf die der Kurs für Eltern mit Kindern ab zwei Jahren aufgeteilt ist. Wichtig dabei: Die Abende sollen nicht in einem Frontalunterricht enden. „Der Kurs lebt von Vielfältigkeit“, sagt Amrhein. Immer wieder gibt es praktische Übungen und Beispiele für die Teilnehmer. Klassische Konfliktsituationen zwischen Eltern und Kindern werden angespielt. Wann muss ein klares Machtwort gesprochen, ein Rahmen vorgegeben werden, wie kann Kooperation mit dem Kind gelingen? Hier gibt „Kess erziehen“ praktische Anregungen.
Einer der Teilnehmer ist Daniel Englbauer, der einen Kurs in Kitzingen besucht hat. Er hat zwei Kinder und ist nach eigenen Worten „der Hausmann in der Familie“. Ein typisches Problem sei es beispielsweise, dass der Nachwuchs sich morgens vor dem Kindergarten nicht anziehen möchte. Stattdessen möchten die Kleinen lieber weiter spielen. Englbauer weiß dank „Kess erziehen“ inzwischen, wie er einem solchen Konflikt aus dem Weg geht: „Ich biete meinen Kindern an, einfach eine Stunde früher aufzustehen, dann bleibt genug Zeit zum Spielen“, sagt er und fügt schmunzelnd hinzu: „Das machen die sogar.“ So komme jeder zu seinem Recht.
Bei der Evaluation des Programms „Kess erziehen“ wurden Teilnehmer vor, während und ein Jahr nach Besuch des Kurses unter anderem nach ihrem elterlichen Kompetenzgefühl gefragt: Wie zufrieden fühlen sie sich in ihrer Elternrolle, wo gibt es Probleme und wie haben diese sich nach Kursbesuch verändert? Das Ergebnis: Eine Mehrheit findet das „Elternsein als anspruchsvoll, aber auch erfüllender als früher“. Eltern würden sich mehrheitlich nach einem Kursbesuch kompetenter und in Erziehungsfragen sicherer gegenüber ihrem Nachwuchs fühlen, schreiben die Autoren der Evaluation.
„Verändert haben sich die Wünsche der Eltern in den vergangenen fünf Jahren kaum“, sagt Amrhein. Das größte Anliegen laute immer noch: „Ich hätte gern ein Patentrezept gegen alle Probleme.“ „Das würde ich mir selbst auch manchmal wünschen, aber das gibt es natürlich nicht“, gibt Amrhein zu. Ziel des Kurses sei, Spuren für eine gelungene Erziehung zu legen. Ein Problem ist für Amrhein, dass Eltern nicht mehr so viele Vergleiche für eine gute Erziehung haben. Früher gab es die Großfamilie, da habe man verschiedene Erziehungsstile mitbekommen und konnte ab und an etwas üben und dadurch eine eigene Vorstellung vom Vater- und Mutter-Sein entwickeln. So etwas lasse sich kaum mehr finden. Deshalb täten den Eltern auch die konkreten Anregungen und die eigene Auseinandersetzung mit Erziehungsfragen innerhalb des Kurses gut. Auffällig sei aber, dass immer mehr Männer den Kurs besuchen. „Von sich aus – weil sie Erziehung als eines ihrer Aufgabenfelder in der Familie sehen“, wie Amrhein betont.
Aufgrund der großen Nachfrage, gibt es inzwischen verschiedene Kurse im Rahmen von „Kess erziehen“. So richtet sich „Kess-erziehen: Von Anfang an“ speziell an Eltern von Säuglingen und Kleinkindern von 0 bis 3 Jahren, „Kess-erziehen: Mehr Freude. Weniger Stress.“ hat Eltern mit Kindern im Alter bis zwölf Jahre im Blick. Auch ein Kurs speziell zu religiösen Fragen wird angeboten: “Kess- erziehen: Staunen. Fragen. Gott entdecken“. Die Kurse sind an fünf Abenden und werden je nach Bedarf in der gesamten Diözese angeboten. Interessierte Mütter und Väter können sich bei Elisabeth Amrhein vom Familienbund der Katholiken unter Telefon 0931/38665221 oder via E-Mail fdk@bistum-wuerzburg.de melden.
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