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„Je bunter und glänzender, desto besser!“

Pfarrer Charles Kelly erzählt von Weihnachten in Irland

Aschaffenburg/Würzburg (POW) Andere Länder, andere Sitten. In der Interviewserie „Weihnachten in aller Welt“ erzählen im Bistum Würzburg tätige ausländische Seelsorger von Weihnachten und den damit verbundenen Bräuchen in ihrer ursprünglichen Heimat. Über Irland spricht im folgenden Interview Pfarrer Charles Kelly (66), Pfarrer von Aschaffenburg-Sankt Konrad.

POW: Wie sieht der typische Heilige Abend in Ihrer Heimat aus?

Pfarrer Charles Kelly: Der Heilige Abend ist ein ganz normaler Arbeitstag in Irland. Geschäfte haben bis spät abends geöffnet. Mein 1967 verstorbener Vater zum Beispiel arbeitete in einem großen Kaufhaus und kam an diesem Tag in der Regel nach 19 Uhr nach Hause. Zuhause wird an diesem Tag alles für das Festessen vorbereitet. Das Haus riecht nach Braten und Backen, aber niemand darf davon essen. Fragen Sie ein Kind in Irland, wann Weihnachten ist. Es wird Ihnen antworten: „Am 25. Dezember.“ Fragen Sie hier in Deutschland, wird die Antwort lauten: „Am 24. Dezember.“ Heiligabend ist bei uns immer ein Fastentag, bis 24 Uhr, und es gibt traditionell kein Fleisch an diesem Tag. Weihnachtsschmuck aus Papier wird im gesamten Haus aufgehängt, besonders im Wohnzimmer. Das sieht dann ein bisschen aus wie in Deutschland an Fasching: bunt und vielleicht ein wenig übertrieben. Darüber hinaus werden, ganz nach altem Brauch, Stechpalmenzweige, im Idealfall mit roten Beeren daran, gesammelt und an allen Türen und Bilderrahmen im Wohnzimmer angebracht. Natürlich wird immer ein Mistelzweig über der Tür aufgehängt. Jede Frau, die darunter steht, darf geküsst werden. In der Pfarrei führen die Grundschulkinder oft ein Weihnachtsspiel auf. Die Kinder übernehmen Rollen, spielen Instrumente oder singen. Die Aufführung findet meist um 16 Uhr statt, und wird von vielen Kindern und, soweit möglich, auch deren Eltern besucht. Typisch irisch ist auch das so genannte „Carol Singing“, das an allen Ecken der Stadt zu hören ist: Chöre und Musiker aller Altersstufen singen und spielen Weihnachtslieder, oft vier bis fünf Stunden am Stück. Diese Gruppen gehen oft schon in der Woche vor Weihnachten durch Siedlungen, ziehen von Haus zu Haus und sammeln für einen guten Zweck. Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben die Familien komplett, mit Ausnahme der Kleinkinder, die Mitternachtsmesse in der Pfarrkirche besucht, die besonders feierlich gestaltet war. Inzwischen wird die Christmette in der Regel um 22 Uhr gefeiert. In jedem Haus brennt an Heiligabend nach außen sichtbar von früh bis abends eine rote Kerze als Zeichen, dass jeder Obdachlose oder Reisende in diesem Haus willkommen ist. Bei uns zu Hause ist nie jemand gekommen, aber wir haben es wenigstens angeboten. Das weihnachtliche Festessen gibt es erst am Ersten Feiertag, meisten nachmittags, um 14 oder 15 Uhr. Traditionell gab es bei uns einen Truthahn, ein Geschenk von Vaters Arbeitgeber, gefüllt, gebraten, genug zu essen für alle – wenigstens an einem Tag im Jahr. Dazu wurden fünf oder sechs verschiedene Gemüse gereicht. In vielen Familien gibt es bis heute ein ungeschriebenes Gesetz: Das Festessen besteht normalerwiese aus acht bis zehn Gängen. Frauen bereiten das Essen vor, und die männlichen Familienmitglieder räumen auf und spülen. Das hat immer geklappt. Noch etwas: kein Schimpfwort darf an diesem Tag gesprochen werden. Es herrscht Frieden! Was üblicherweise nie fehlen darf: Plum Pudding, eine sehr reichhaltige Nachspeise mit viel Obst, in Dampf gegart und mit dicker Vanillesauce serviert. Außerdem der Christmas Cake, eine Weihnachtstorte, die bereits im November gebacken wird und bis Ostern haltbar ist, weil so viel Whiskey darin ist, mit vielen hellen und dunklen Rosinen. Für uns Kinder gab es nur an Weihnachten Limonade.

POW: Wie sehen der Weihnachtsbaum und die Krippe aus?

Kelly: Der Christbaum wird am Heiligen Abend aufgestellt und mit allem Möglichen dekoriert, ganz nach der Devise: Je bunter und glänzender, desto besser! Früher waren die Häuser und Wohnungen klein und wir hatten nicht viel Platz für einen Christbaum. Wir waren glücklich, wenn wir einen Christbaum hatten. Aber oft konnten wir uns das nicht leisten. Die Krippe in der Pfarrkirche in Kilkenny war sehr schön. Die italienischen Figuren aus Gips waren lebensgroß. Ein Seitenaltar wurde aufgebaut als Stall, und das Christkind während der Mitternachtsmesse feierlich hineingetragen. Ochs und Esel waren für uns fast wie lebendige Tiere, die Krippe hatte viel Stroh und eine Laterne. Die Krippe bei uns zuhause war aus dunkeln Karton, in der Form einer Höhle gemacht, mit einfarbigen Gipsfiguren. Ein Stern war obendrauf und, auf gelbem Karton geschrieben, hing „Gloria in excelsis Deo“ vorne dran. Eine kleine rote Glühbirne machte innen Licht.

POW: Welche besonderen Lieder gehören zu einer typischen Weihnachtsfeier?

Kelly: Lieder, die in Irland immer zu Weihnachten gehören, sind: „Silent Night“ (Stille Nacht, und dieses Lied wird nicht nur am Heiligen Abend gesungen!), außerdem „Adeste Fideles“, „Deck the Hall with Boughs of Holly“, „Angels we have heard on High“, „Once in Royal David’s City“, „Hark the Herald Angels Sing“, „Hush be Still“ und „The Wexford Carol“.

POW: Wer bringt in Irland die Geschenke?

Kelly: Der Santa Claus bringt die Geschenke in der Nacht zu Heilig Abend. Jedes Kind bis zum Alter von vielleicht neun Jahren glaubt an Santa Claus. Kinder hängen eine Socke ans Bettende, in der Hoffnung, dass am Weihnachtsmorgen etwas Schönes drin steckt. Aber: Santa Claus bringt dem Kind, das nicht schläft, gar nichts. Eltern können raffiniert sein! Alkohol hatte normalerweise wenig Platz in meinem Elternhaus. Am Heiligen Abend aber hat mein Vater jedes Jahr ein Glas Whiskey auf den Ecktisch im Wohnzimmer für Santa Claus bereitgestellt. Meine Eltern tranken keinen Alkohol, aber der Whiskey war immer weg. Als Erwachsene haben wir am ersten Weihnachtstag die Geschenke ausgeteilt. Die Geschenke waren weder groß noch teuer.

POW: Was vermissen Sie in Deutschland an Weihnachten am meisten?

Kelly: Eigentlich nicht sehr viel; das „Carol Singing“ in der Stadt, und dass Weihnachten in Irland mit verschiedenen Bräuchen zu allen in die Häuser gebracht wird. Was mir auch fehlt: Wir heizen in Irland traditionell mit offenem Feuer im Offenen Kamin. Das bringt nicht nur Wärme, sondern ist auch lebendig. Das Feuer bewegt sich, es raucht, wechselt ständig die Farben. Mir fehlt auch der Weihnachtsspaziergang am Strand.

POW: Was können die Deutschen von Ihrer Art, Weihnachten zu feiern, lernen?

Kelly: In meinen Augen sehr wenig. Weil Irland ein sehr armes Land war, gab es sehr wenig weihnachtliche Kultur. Sehr lange Jahre haben die Iren nur um ihre Existenz gekämpft. Zeit und Geld für Weihnachten gab es nur wenig.

POW: Welche Anregungen für Weihnachten haben Sie in Deutschland schätzen gelernt?

Kelly: Hier in Deutschland ist Weihnachten tief in der Kultur und Tradition des Landes verwurzelt. Von Generation zu Generation werden die Bräuche weitergereicht, inklusive vielerlei Musik, Gesang und Schmuck. Christbäume hatten wir in Irland nie in der Kirche, die Bischöfe sprachen immer von heidnischen Bräuchen. Ich mag es, wenn es draußen dunkel ist, und die Kirche beleuchtet ist mit den vielen kleinen Lichtern am Christbaum. Ansprechend finde ich auch das Adventssingen mit alter traditionsreicher Musik mit Instrumenten wie Zither, Harfe und Hackbrett. Das klingt leise und passt wunderbar zu Winterzeit und Schnee. Wichtig sind mir auch die Kindermette, Christmette und überhaupt kleine Gottesdienstarten, die die frohe Botschaft von Weihnachten in eine Sprache bringen, die alle verstehen.

Zur Person:

Pfarrer Charles Kelly ist seit 1994 Seelsorger von Aschaffenburg-Sankt Konrad. Er wurde 1944 in Kilkenny im Südosten Irlands geboren und dort auch zum Priester geweiht. In der Diözese Würzburg war er erstmals von 1976 bis 1977 als Seelsorgeaushilfe in Ochsenfurt-Sankt Andreas tätig. Nebenbei hörte er Vorlesungen in Kunstgeschichte an der Universität Würzburg. Nach seiner Rückkehr nach Irland wurde Kelly im November 1977 in Kilkenny Domkaplan, ab September 1987 Verwalter am dortigen Priesterseminar. Von September 1989 bis zu seinem Wechsel nach Aschaffenburg war er Kaplan in Waterford. Seit 1998 ist er Priester der Diözese Würzburg.

(4910/1533; E-Mail voraus)

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