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„Ihr werdet schon sehen!“

Konzilsvater Bischof em. Luigi Bettazzi blickt 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zuversichtlich in die Zukunft – Vortragsabend der Katholischen Akademie Domschule in der Würzburger Augustinerkirche

Würzburg (POW) Vermeintlicher Stillstand oder gar Rückschritt in der Kirche ist für Bischof em. Dr. Dr. Luigi Bettazzi aus dem italienischen Ivrea ein gutes Zeichen. „Jeder von uns weiß, dass man erst einmal einen Schritt nach hinten machen muss, will man einen wirklich großen Sprung nach vorne machen. Ihr werdet schon sehen!“ Mit Weisheiten wie dieser hat am Dienstagabend, 16. Oktober, der 88-jährige Bischof, einer der letzten noch lebenden Konzilsväter, die rund 140 Zuhörer bei seinem Vortrag anlässlich des 50. Jubiläums des Zweiten Vatikanischen Konzils begeistert. „Beim Zweiten Vaticanum war fortschrittliches Denken möglich, weil es schon vorher Menschen gab, die mit großer Hoffnung, viel Geduld und Hartnäckigkeit vorangegangen sind“, betonte er im Gespräch mit den Teilnehmern eines Akademieabends von Katholischer Akademie Domschule und katholischer Friedensbewegung Pax Christi in der Würzburger Augustinerkirche. Im Anschluss an einen Gottesdienst hatte zuvor Professor em. Dr. Elmar Klinger die damalige Eröffnungsrede von Papst Johannes XXIII. analysiert.

Das Jubiläum der Eröffnung des Konzils und das damit verbundene „Jahr des Glaubens“ wertete Bischof Bettazzi als Anregung, das Wort Gottes neu zu entdecken und aus diesem heraus Träger von Friede, Solidarität und Gewaltfreiheit zu werden. „Das ist die Sendung, die wir als Kirche haben.“ Die Gläubigen ermunterte Bischof Bettazzi dazu, sich in ihrem jeweiligen Umfeld zu engagieren. „Wenn jeder das tut, was er kann, dann wirkt der Heilige Geist am Ende Wunder.“ Das Zweite Vaticanum habe am Ende Gedanken in den Dokumenten niedergeschrieben, die er und die anderen Konzilsväter an dessen Beginn noch nicht einmal zu denken gewagt hätten. Die darin festgehaltenen Neuerungen seien wichtig und müssten umgesetzt werden. Die Gläubigen seien daher immer wieder aufgefordert, diesen Geist des Konzils zum Beispiel in den Pfarrgemeinderäten einzubringen und notfalls auch die Auseinandersetzung mit den Priestern nicht zu scheuen, betonte Bischof Bettazzi. Er hoffe, dass die Priester, die sich dem Konzil verpflichtet wüssten, auch irgendwann einmal Bischöfe werden. Zugleich schränkte er ein: „Leute mit Verantwortung handeln oft langsam aus Sorge um die Leute, die nur sehr langsam vorankommen.“

Der aus traditionalistischen Kreisen immer wieder geäußerten Kritik, das Konzil habe die katholische Kirche „protestantisiert“, widersprach der Bischof deutlich. „Es waren die Protestanten, die das Wort Gottes seit jeher hochgehalten haben und uns dadurch geholfen haben, das wiederzufinden, was Basis unseres Glaubens ist.“

Bischof Bettazzi bedauerte, dass die Anregung, nach dem Ende des Zweiten Vaticanums alle zwei Jahre ein kleines Konzil abzuhalten, das sich dann jeweils einem speziellen Thema widmen sollte, nicht umgesetzt wurde. Es wäre in seinen Augen wünschenswert, wenn es zu Themen wie Bioethik oder Sexualität einen Monat lang in Rom eine Diskussion unter den Bischöfen gäbe und diese dann gemeinsam mit dem Papst festlegten, was die Meinung der Kirche ist. „Nicht so, wie jetzt auf den Bischofssynoden: Da wird verhandelt, und am Ende machen römische Kurie und Papst doch, was sie wollen.“

Zudem plädierte Bischof Bettazzi leidenschaftlich für eine „Kirche der Armen“. Dieses Thema habe schon Giacomo Kardinal Lercaro, in dessen Erzbistum Bologna er damals als junger Weihbischof wirkte, auf dem Konzil einzubringen versucht. Unter anderem habe dieser angeregt, dass nicht zuletzt die reiche europäische Kirche einen einfacheren Lebensstil führen solle und sich von allem trennen solle, was als Überbleibsel des Feudalismus betrachtet werden könne. „Anscheinend befürchtete Papst Paul VI. eine vertiefte Diskussion über dieses Thema“, unter anderem aus Angst, in Zeiten des Kalten Kriegs könnte die Kirche in den Verdacht geraten, dem Gedankengut des Kommunismus nahezustehen. Deswegen habe der Papst das Thema für sich reserviert – wie auch die Priesterweihe für verheiratete Männer, die Diskussion um die Antibabypille, die Reform der Kurie und die konfessionsverschiedenen Ehen.

Die Gedanken der „Kirche der Armen“ wurden auf dem Konzil auch von einer Gruppe von Bischöfen unterstützt, die sich an der Spiritualität des Charles de Foucault orientierten und später „Bruderschaft der Kleinen Bischöfe“ genannt wurde. Nachdem es dieser Gruppe – abgesehen von einigen kleinen Einfügungen in die Konzilstexte – nicht gelungen war, dem Thema der „Kirche der Armen“ breiteren Raum auf dem Konzil zu verschaffen, schlugen deren Mitglieder vor, selbst einen Lebensstil größerer Einfachheit und größerer Nähe zu den Armen zu beginnen.

Am 16. November 1965 unterzeichneten daher im Anschluss an eine Messe in der Domitilla-Katakombe rund 40 Bischöfe den so genannten „Katakombenpakt“. Darin verpflichteten Bettazzi und die anderen Unterzeichner sich unter anderem, auf Titel wie Eminenz, Exzellenz oder Monsignore zu verzichten, weder Immobilien noch bewegliche Güter noch Bankkonten auf eigenen Namen zu besitzen sowie Reichen und Mächtigen keine Privilegien zu gewähren. Weiter heißt es in dem Papier: „Die Kollegialität der Bischöfe entspricht dann am besten dem Evangelium, wenn alle gemeinsam Verantwortung für die Menschenmassen übernehmen, die physisch, kulturell und moralisch im Elend leben – und das sind zwei Drittel der Menschheit.“ Wahre Neuevangelisierung, die den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. sehr am Herzen liege, betonte Konzilsvater Bettazzi, bestehe vor allem darin, eine ärmere Kirche zu sein, damit diese näher an den Armen sei. „Vielleicht braucht es ja 50 Jahre, um das Konzil wirklich zu verstehen. Dann ist das Jahr des Glaubens jetzt genau das richtige Jahr!“

(4312/1087; E-Mail voraus)

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