Würzburg (POW) Mit einer Tagung am Samstag, 27. Oktober, hat die Ackermann-Gemeinde der Diözese Würzburg in Kooperation mit der Domschule Würzburg an den „Prager Frühling“ erinnert. „Panzer gegen Freiheit und Demokratie – der Prager Frühling vor 50 Jahren. Auslöser damals – Folgen für heute“ lautete das Thema des von 60 Teilnehmern besuchten Symposiums im Würzburger Burkardushaus.
Der Prager Weihbischof Václav Malý erklärte, dass die Endphase des Zweiten Vatikanums und die Ursprünge des Prager Frühlings zeitlich nahe beieinander lagen und der Prager Frühling zur Belebung und Erneuerung der Kirche beitrug. Bis in die späten 1970er Jahre sei die katholische Kirche unterdrückt und verfolgt worden. Laien durften nicht tätig werden, es gab nahezu keinen Religionsunterricht und keine kirchliche Presse. Hoffnung habe Papst Johannes Paul II. gegeben: Die Gläubigen organisierten Vorträge in Wohnungen, inoffizielle theologische Literatur wurde verbreitet und Kardinal František Tomášek veröffentlichte sein Programm zur geistigen Erneuerung. Mit dem Ende des Kommunismus hätten sich für die katholische Kirche viele neue Aufgaben und Herausforderungen ergeben. Hoffnung für die Zukunft sah Malý in vielen neuen Konvertiten. Ein Defizit dagegen läge im geringen Engagement der Laien. Die katholische Kirche in Tschechien sei eher eine Kirche der Intellektuellen, Arbeiter und Handwerker würden fehlen. „Die Aufgabe der Kirche bei uns ist es, das Evangelium anzubieten und die Suchenden zu begleiten. Wir dürfen aber nicht erwarten, dass sie gleich zu Konvertiten werden.“
Dr. Otfrid Pustejovsky, der frühere Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde im Erzbistum München-Freising, betrachtete die Jahre von 1948 bis 1968. In diese Zeit fiel der tschechoslowakisch-sowjetische Beistandsvertrag vom 12. Dezember 1943, der unter anderem eine enge Zusammenarbeit in der Nachkriegszeit festlegte. Im Kaschauer Regierungsprogramm vom 5. April 1945 sei diese Verbundenheit nochmals betont worden. Mit Duldung Stalins sei die Vertreibung der Deutschen erfolgt. „Danach versuchte die Kommunistische Partei, die künftigen Staatsstrukturen unter Nutzung der demokratisch vorhandenen Möglichkeiten vorzubereiten.“ Am 24./25. Februar 1948 seien die Kommunisten am Ziel gewesen. Im Dezember 1962 habe die Entdogmatisierung begonnen, mit Schwerpunkt zunächst in der Slowakei. Als im März/April 1968 Schriftsteller und Geistliche freigelassen wurden und sich die kritische Auseinandersetzung mit dem Marxismus-Leninismus verstärkte, sei auch die Führung der Sowjetunion unruhig geworden – es folgten Okkupation und „Normalisierung“. Mit dem Truppenstationierungsvertrag vom 16. Oktober 1968 sei die Besetzung der ČSSR bis 1990 festgeschrieben worden.
Bis weit ins Jahr 1969 habe die Bevölkerung weiter auf Demokratisierung gehofft, sagte Dr. Kateřina Portmann von der Technischen Universität Reichenberg. Der neue KPČ-Generalsekretär Gustáv Husák sei für viele im Jahr 1969 „noch eine akzeptable Persönlichkeit“ gewesen. Jedoch seien fast alle Reformer im Herbst 1968 umgeschwenkt. Die „Normalisierung“ wie auch die Verfolgung unterschiedlicher Zielgruppen setzte ein. Hinzu kamen die Säuberungen in der KPČ sowie scharfe Grenzsicherung und Grenzkontrollen. „Zu Beginn der 70er Jahre war die Hoffnung bei der Bevölkerung weg, die Stimmung ziemlich deprimierend und lethargisch. Viele zogen sich in die innere Emigration zurück.“ Dem sei die Regierung mit gezielten Maßnahmen für Familien begegnet. Mit der Charta 77 sei eine neue Gruppe aufgetreten, deren Hauptprotagonisten trotz Verfolgung und Verhaftungen durchgehalten hätten. Mit Michail Gorbatschows Politik sei die ČSSR-Führung distanzierter umgegangen. Noch 1989 sei es zu Auflösungen von Demonstrationen und Verhaftungen gekommen. Die Ereignisse in der Deutschen Botschaft in Prag, als viele DDR-Flüchtlinge ausreisten, hätten dazu geführt, dass die Demonstration am 17. November 1989 erlaubt wurde, die zum Ausgangspunkt der Samtenen Revolution wurde.
„Wir müssen Osteuropa wieder als Schwerpunkt der weltkirchlichen Arbeit nehmen“, betonte Erzbischof Dr. Ludwig Schick (Bamberg), Vorsitzender der Kommission Weltkirche in der Deutschen Bischofskonferenz. Er bekannte, dass es bei den Bischöfen in Mittel- und Osteuropa „in einigen wichtigen Themenfeldern unterschiedliche Auffassungen“ gebe, etwa in den Fragen Ehe/Familie, europäische Einigung und Identität der eigenen Nation. Im künftigen Dialog sollten folgende Themen stehen: Säkularität und Säkularismus, Familie und Jugend, geistliche Berufungen und Entwicklung der Orden, Umwelt und Schöpfung. Einen Blick wollen die Bischöfe auch auf die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien richten, zumal hier „Initiativen der Versöhnung“ besonders nötig erschienen. „Kirche ist aber mehr als die Bischöfe.“ Der Erzbischof erinnerte an die Vereine und Verbände sowie die Jugendlichen, die zum Teil seit langer Zeit in der Begegnung in Richtung Mittel- und Osteuropa aktiv seien.
Markus Bauer (POW)
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