Großostheim/Würzburg (POW) Andere Länder, andere Sitten. In der Interviewserie „Weihnachten in aller Welt“ erzählen im Bistum Würzburg tätige ausländische Seelsorger von Weihnachten und den damit verbundenen Bräuchen in ihrer ursprünglichen Heimat. Über Polen spricht im folgenden Interview Walenty Cugier (45) aus Großostheim, Pfarradministrator der Polnischen Mission am Untermain und Mitarbeitender Priester der Pfarreiengemeinschaft Regenbogen im Bachgau, Pflaumheim.
POW: Wie sieht der typische Heilige Abend in Polen aus?
Pfarradministrator Walenty Cugier: Der Heilige Abend ist für polnische Familien eine besondere Zeit. Es ist vor allem ein Familienfest. Der Heilige Abend bildet den zentralen Punkt in der gesamten Weihnachts-zeit, dabei spielt die christliche Bedeutung des Festes eine große Rolle. Die Vorbereitung kostet viel Mühe und nimmt viel Zeit in Anspruch, aber fast alle Familienmitglieder beteiligen sich daran. Der eigentliche Heilige Abend beginnt, wenn am Himmel die ersten Sterne erscheinen. Dann trifft sich die ganze Familie am schön geschmückten und mit einer weißen Tischdecke gedeckten Tisch. In manchen Regionen legt man Heu unter das Tischtuch in Erinnerung an das Heu in der Krippe. Die Versammelten stehen um den Tisch. Man beginnt mit einem Weihnachtslied, danach wird ein Gebet gesprochen – meistens vom Vater. Es folgen das Lukas-Evangelium, das Vater unser, das „Gegrüßet seist du Maria“ und ein Gebet für die Verstorbenen der Familie. Anschließend werden weiße Oblaten zerbrochen und geteilt – eine typische polnische Tradition. Danach spricht man den Friedensgruß und wünscht einander Frohe Weihnachten. Das Festessen schließt sich an. Es umfasst nach polnischer Tradition zwölf Gänge, aber das machen nicht mehr alle Familien. Die Speisen sind regional unterschiedlich, aber wegen des Abstinenztages immer ohne Fleisch. Am Tisch wird immer ein Platz mehr eingedeckt als Gäste da sind, für den Fall, dass ein unerwarteter Gast eintrifft. Nach dem Essen trifft sich die Familie beim Weihnachtsbaum, sie packt Geschenke aus und man singt die schönen polnischen Weihnachtslieder. Leider wird immer öfter nicht mehr selbst gesungen, sondern man hört eine CD an. So verbringt man die Zeit bis zur Christmette die in Polen traditionell um 24 Uhr beginnt. Viele Pfarrgemeinden bieten auch um 22 Uhr eine Mette für alte Leute und Familien mit Kindern an, damit in der Hauptmette genug Platz in der Kirche für die Gläubigen ist. In der Polnischen Gemeinde in Aschaffenburg ist die Mette in der Sandkirche um 24 Uhr immer sehr gut besucht.
POW: Können sie uns bitte beschreiben, wie Weihnachtsbaum und Krippe bei Ihnen aussehen?
Cugier: Weihnachtsbaum und Krippe sind ähnlich wie in Deutschland. Eine Zeit lang waren die Bäume oft aus Kunststoff, jetzt geht der Trend wieder zu natürlichen Bäumen. Sie werden meist am 24. Dezember geschmückt und bleiben bis Mariä Lichtmess am 2. Februar stehen. Die meisten Familien haben auch eine Krippe. Krippen stammen in Polen oft aus Krakau oder aus dem Bergland.
POW: Welche besonderen Lieder gehören zu einer typischen Weihnachtsfeier?
Cugier: In Polen gibt es sehr viele Weihnachtslieder. Man nennt sie Kolendy und Pastoralki. Besonders bekannt sind zum Beispiel „Heute in Bethlehem“ und „Stille Nacht“. Sie werden bis zum 2. Februar immer wieder gesungen.
POW: Wer bringt bei Ihnen die Geschenke?
Cugier: Wer die Geschenke bringt, das ist regional unterschiedlich. In manchen Gebieten ist es das Christkind – besonders in Schlesien, anderswo der Weihnachtsmann, der Nikolaus oder – noch aus der kommunistischen Zeit – Väterchen Frost.
POW: Was vermissen Sie in Deutschland an Weihnachten am meisten?
Cugier: Mir fällt auf, dass Weihnachten immer weniger als Familienfest gefeiert, sondern für Urlaub und Skisport genutzt wird. Der religiöse Hintergrund geht verloren, im Mittelpunkt stehen die Geschenke. Deswegen wohl endet Weihnachten bei vielen schon am zweiten Weihnachtsfeiertag. Als ich früher in Hamburg tätig war, standen viele Christbäume schon am 27. Dezember vor der Haustüre.
POW: Was können die Deutschen von Ihrer Art, Weihnachten zu feiern, lernen?
Cugier: Ich denke, dass es wichtig ist, den religiösen Hintergrund wieder zu betonen und den Familiencharakter des Festes neu zu beleben.
POW: Welche Anregungen für Weihnachten haben Sie in Deutschland schätzen gelernt?
Cugier: An der Vorbereitungszeit für Weihnachten habe ich zu schätzen gelernt, dass Adventskonzerte stattfinden, Adventsmärkte, Gruppentreffen und Aktionen wie zum Beispiel das Singen für die Kranken; außerdem die Vorbereitung der Sternsinger. Ich finde auch toll, wie großzügig die Menschen für Adveniat und die Sternsinger geben. Mir gefällt auch das Krippenspiel in der Kindermette. Schade, dass viele Erwachsene diese Mette als Ersatz für die Christmette nehmen. Insgesamt ist in Deutschland die Weihnachtsliturgie sehr feierlich.
Zur Person
Walenty Cugier wurde 1965 im polnischen Leszno geboren und empfing am 27. Mai 1993 in Poznan die Priesterweihe. Im Mai 2005 begann er, in der Polenseelsorge in Aschaffenburg mitzuhelfen und wurde im September des gleichen Jahres Kaplan von Pflaumheim, Ringheim und Wenigumstadt. Seit November 2009 ist Cugier Pfarradministrator der Polnischen Mission am Untermain.
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