Würzburg/Schweinfurt (POW) In seiner Freizeit schreibt er über die kriminelle Seite Schweinfurts. Beruflich berichtet er als Leiter der Radioredaktion des Bistums Würzburg über Glauben und Kirche. „Ich habe schon immer gerne geschrieben, das mit den Regionalkrimis hat sich eher durch Zufall ergeben“, sagt Lothar Reichel (55). „Walpurgisnacht“, das dritte Buch der Schweinfurt-Reihe aus seiner Feder, kommt dieser Tage in die Läden. Inhaltlich und zeitlich schließt sich die Handlung direkt an Faschingszeit und Ostertage an, den Zeitrahmen der Krimis „Kindertotenlieder“ und „Karfreitagszauber“.
Ein Buch mit dem Titel „Winnetou darf nicht sterben“ hatte Reichel 1995 veröffentlicht, einen Bali-Roman mit 800 Seiten Umfang hat er seit Jahren in der Schublade liegen, weil er noch einen Verleger sucht. „Die Anregung, einen Krimi zu schreiben, der in meiner Heimat spielt, hat mein Freund, der Radiojournalist Christian ‚Blacky‘ Schwarz, an mich herangetragen.“ Der hatte kurz zuvor die „Schweinfurter Kriminacht“ einer großen Buchhandlung moderiert. Damals wurde aus unterschiedlichen, auch regionalen Büchern vorgelesen. Ein Krimi aus der Industriestadt am Main aber fehlte. „Als die Filialleiterin Blacky gegenüber meinte, ein entsprechendes Buch ließe sich bestimmt wie geschnitten Brot verkaufen, sagte der, er wüsste auch schon den passenden Autor.“
Nur dass Reichel selbst anfangs wenig begeistert von der Idee war: Klar seien die Regionalkrimis erfolgreich, aber sie trieften meist vor lokalem Kitsch: Auf Sylt fließe jede Menge Klarer und Möwen kreischten, bei den bayerischen Varianten werde kein Lodenjanker und kein Schweinsbratenklischee ausgelassen. „Beim näheren Hinsehen habe ich aber gemerkt, dass Schweinfurt als Ort der Handlung viele Reize hat.“ Fränkische Provinz trifft auf Industrieunternehmen von Weltruf; eine große türkische Gemeinde, die amerikanische Garnison und viele wirklich reiche Leute sorgten für eine facettenreiche Bevölkerung. Schnell sei ihm klar geworden, dass sich in diesem Rahmen viele heutige Fragestellungen ergeben und darstellen lassen.
Blieb aber noch die Frage, wer Held der Handlung sein kann. Jemand Reales sollte es sein, und eine Figur, die eben nicht ein pensionierter Kommissar oder ein Privatdetektiv ist. „Mir saß, als ich so vor mich hin überlegte, Blacky gegenüber.“ Und schon sei sie geboren gewesen, die „eigentliche Schnapsidee des Ganzen“, wie Reichel es nennt: ein Held, den es tatsächlich gibt und der als Journalist bei Radio Primaton gewohnt ist, zu recherchieren und Fragen zu stellen. „Das fing mir an zu gefallen.“
Die Grundzüge des ersten Schweinfurt-Krimis habe er dann entworfen, als er mit seinem Sohn im Flieger in Richtung Burma saß. Das Rückert-Denkmal in der Innenstadt sollte darin eine zentrale Rolle spielen. „Das Krimi-Rad lässt sich nicht neu erfinden. Ich habe aber beim Schreiben in filmischen Szenen gedacht und versucht, überraschende Wendungen einzubauen.“ Die vom Verleger vorgegebene Höchstlänge von 250 Seiten erzwinge eine Reduktion aufs Wesentliche. „Und das macht Tempo.“ Obwohl: Den einen oder anderen Exkurs erlaubt sich Reichel auch, wie er zugibt. „Friedrich Rückerts Kindertotenlieder habe ich im ersten Roman ausführlicher vorgestellt. Bei ‚Walpurgisnacht‘ erlaube ich mir, das neuzeitliche Hexentum einmal näher zu beleuchten.“ Reichel spricht von dem „didaktischen Element“, das mitunter durchkommt.
Ähnlich verhalte es sich mit der Prägung als Religionspädagoge oder den sieben Jahren, die er nach der Mittleren Reife als Justizbeamter am Schweinfurter Gericht arbeitete. „Das Thema Religion scheint immer durch, wenn auch mitunter ironisch geprägt.“ Erstens sei bei diesem Themenfeld der Rechercheaufwand für ihn geringer. Außerdem, gibt Reichel zu, sei es für ihn leichter, den richtigen Ton zu treffen. „Die Szene der Bauspekulanten zum Beispiel wäre mir völlig fremd.“
Viele der Romanfiguren sind aus dem realen Leben gegriffen, wenngleich die Namen meist verfremdet sind. „Schließlich sollen die Anspielungen durchaus eine gewisse Schärfe haben.“ Dem realen Blacky lege er die Passagen über ihn immer vor. „Denk immer daran, dass auch meine Mutter das Buch liest“, habe der ihn einst ermahnt. „Dieser Satz sorgt bei Lesungen immer für große Heiterkeit“, berichtet der Autor. Der einzige weitere Charakter, der auch im echten Leben so heißt wie in den Büchern, ist der Schriftsteller Lothar, mit dem die Romanfigur Blacky befreundet ist. „Lothar, der in Irland lebt und gerne Golf spielt, fungiert als eine Art Stichwortgeber. Durch die Entfernung muss dieser nicht ständig auftauchen.“ Wobei für die Leser Fakt und Fiktion mitunter verschwimmen, wie Reichel erlebt hat. „Sind Sie für die Vorstellung des neuen Buchs extra aus Irland angereist?“, habe ihn kürzlich eine Dame gefragt.
Fakt ist: Nach drei Blacky-Krimis innerhalb eines Jahres plant Reichel, jetzt erst einmal gemächlich daran weiter zu arbeiten. „Ich bin schließlich ‚nur‘ Hobby-Schriftsteller.“ Dennoch deute bereits jetzt vieles darauf hin, dass die Reihe eine Fortsetzung finden wird.
Lothar Reichel: „Walpurgisnacht. Blacky klärt auf“. Zirka 240 Seiten, 10,90 Euro. Verlag Peter Hellmund, Würzburg 2012, ISBN 978-3-939103-40-0.
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