Liebe Schwestern und Brüder,
heuer feiert der Familienbund sein 60. Jubiläum und wir bringen unseren Dank in dieser heiligen Messe vor Gott.
Als 1953 der Familienbund in Würzburg gegründet wurde, da waren noch die schmerzlichen Wunden der Erfahrung aus dem Nationalsozialismus und der verheerenden zerstörerischen Kraft des Zweiten Weltkrieges präsent. Gerade weil so viele drängende Fragen anstanden, blieben die Nöte der Familien meist unbeachtet. Kindergeld zum Beispiel gab es noch nicht. Zu sehr war durch die Praxis der Nazis, die ‚Kinderbeihilfe’ für Arier gezahlt hatte, dieses Thema belastet. Der Familienbund sorgte sich unter anderem auch darum.
In wenigen Jahren stieg die Zahl der Familien, die sich im Familienbund aufgehoben fühlten, bundesweit von 88.000 auf über eine Million.
Die Situation der Familien hat sich in den folgenden 60 Jahren erheblich gewandelt. Konnte man damals noch von vielen intakten Familien ausgehen, die auch ein religiöses Familienleben praktizierten, so änderte sich dies gewaltig. Damals waren Bemühungen, Ferienmaßnahmen zu fördern, angesagt. Heute gilt es mehr, Familienbildung zu praktizieren.
Damals gab es meist nur einen Verdiener in der Familie. Heute gehen meist beide Elternteile – sofern sie zusammenbleiben – Geld verdienen. Viele beklagen eine ‚strukturelle Benachteiligung’ der Familien, zumal, wenn es kinderreiche Familien sind. Das Zerbrechen familiärer Beziehungen – mit allen Problemen für die Kinder in Patchworkfamilien – fordert den Familienbund neu heraus.
Der Familienbund, der sich zu Recht als Familienverband versteht, nimmt die Interessen von Kindern und Eltern gleichermaßen auf. Ganz konkrete Forderungen gegenüber dem Staat sind da angesagt, wo Benachteiligungen der Familien offensichtlich sind. Bildung darf nicht nur als Wissensvermittlung gesehen werden, sondern muss innerhalb der Erziehung zu reifen Persönlichkeiten führen. Die Vorsorge für das Alter der Familienangehörige, die sich um die Erziehung der Kinder bemüht haben, muss ausreichend geleistet werden und darf nicht als ein Almosen verstanden werden. Viele einzelne wichtige Maßnahmen wären noch zu nennen.
Besonders wichtig ist es heute, dass der Familienbund auch die durch Medien, Computer und Handys veränderte Lebenssituation im Blick auf unseren Glauben kompetent begleitet. Oft ist die seelische Not der Familien so groß, dass Burnout, Gewalt und Drogen verschiedenster Art immer stärker um sich greifen.
Gerade weil der Kontakt zur Kirche immer schwächer wird, die Sehnsucht nach Gelingen, Stabilität und wirklicher Liebe aber unvermindert anhält, ist es wichtig, den uns Anvertrauten den persönlichen Zugang zu dem uns liebenden Gott zu erleichtern.
Der Prophet Jesája hat sein Volk in großer Not nicht nur auf die vergangenen Heilstaten Gottes verwiesen – zum Beispiel den Auszug aus Ägypten –, sondern sie auf Gottes jetzige und zukünftige Hilfe hingewiesen. Können nicht auch wir – ohne dabei den Blick in die Zukunft, die eschatologische Vollendung zu verlieren – durch unser Engagement deutlich machen, dass Gott durch uns jetzt wirkt? Ist es nicht angebracht, dass der Familienbund durch gelebte Nächstenliebe, die auch im Sinne der christlichen Soziallehre Verantwortung wahrnimmt und zum Wohle der Familien einbringt, ein Glaubenszeugnis für Gottes gegenwärtiges Handeln gibt?
Natürlich kann es uns nicht darum gehen, auf eigene Leistung stolz zu sein. Der heilige Paulus belehrt uns ja in der zweiten Lesung, dass er nicht eigene Gerechtigkeit sucht, sondern ganz im Vertrauen auf Christus alles einsetzt. Unsere Motivation kann nicht bei einem rationalen Einsatz verbleiben, sondern braucht das Feuer der Glaubensgewissheit, dass Christus uns den Weg für die Zukunft frei gemacht hat und durch uns wirken will.
Und was hat Christus uns nicht beispielhaft in das Gedächtnis und in das Herz geschrieben! Das heutige Evangelium von der Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war, stellt jede Selbstgerechtigkeit auf den Kopf. Die List seiner Gegner bringt er zu Fall. Sie wollen ihn nur des Unglaubens und der Gesetzlosigkeit überführen. Er aber demaskiert sie – und auch uns indem er sagt: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.“ (Joh 8,7)
Heute erleben wir oft genug, dass mit großen Steinen geworfen wird, obwohl wir im Glashaus sitzen! Viele versuchen von der eigenen Schuld abzulenken, indem sie andere anklagen.
Christus erteilt uns im heutigen Evangelium eine Lektion: Wir haben kein Recht, auf andere Steine zu werfen. Wir sollten uns selbst im Spiegel des Evangeliums betrachten und uns verändern. Die Welt verändern wir nur, wenn wir bei uns anfangen.
Große Heilige haben uns dies durch die Kirchengeschichte hindurch vorgelebt. Der heilige Franz von Assisi, nachdem sich unser neuer Heiliger Vater Franziskus benennt, hatte als Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers in Assisi gute Lebensaussichten. In seiner Jugend führte er ein ausschweifendes Leben. Aber er veränderte im Jahre 1205 auf einen Anruf Jesu hin sein ganzes Leben und veränderte damit die Welt – bis heute! Die Weisung, die er empfing, lautete: „Franziskus, geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät.“
Das ist die Lehre, die wir ziehen können und sollen. Die Verheißung, die Jesaja dem Volke zuruft, ist auch eine bleibende Hoffnung für uns: „Der Herr spricht: Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht? Ja, ich lege einen Weg an durch die Steppe und Straßen durch die Wüste…ich lasse in der Steppe Wasser fließen und Ströme in der Wüste, um mein Volk, mein erwähltes, zu tränken.“ (Jes 43,19 u. 20)
Bauen wir auch weiterhin mit an dieser Straße!
Amen.