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Gesehen, erschwitzt und gerochen

Die bayerische Ordensfrau und Juristin Petra Pfaller setzt sich in Brasilien für die Menschenrechte der Gefangenen ein – Unterstützung durch Hilfswerk Adveniat

Würzburg (POW) Sie lebt in der brasilianischen Großstadt Goiania. 3000 Frauen und Männer im Staatsgefängnis und im Untersuchungsgefängnis gehören zu ihrer Klientel. Menschen, die oft sehr gewalttätig sind. Da kann es passieren, dass einer in der Zelle umgebracht wird, nur weil die anderen 27 Männer auf die massive Überbelegung in der Vier-Mann-Zelle aufmerksam machen wollen. Etliche Gefangene sind illegal verhaftet – weil sie dunkelhäutig und arm sind. Für deren Freilassung setzt sie sich besonders ein: Die aus dem Dorf Schamharpten im Altmühltal stammende Ordensfrau Petra Pfaller ist Gefängnisseelsorgerin und Juristin zugleich. Eine Kombination, die so manche brasilianische Gefängnistüre öffnet.

„Ich habe das Recht, meine Klienten zu sehen. Während die Gefangenen beim Besuch eines Juristen aus der Zelle herausgeholt werden, darf ich als Gefängnisseelsorgerin mit juristischer Ausbildung in die Zelle hineingehen. Das ist meine Macht im positiven Sinn“, berichtet die Ordensfrau bei ihrem Besuch im Rahmen der Adveniat-Aktion 2005 im Bistum Würzburg. Die 40-jährige Missionarin Christi weiß ihre Rechte als Seelsorgerin und Juristin zu nutzen – zum Wohl der Gefangenen, die unter unmenschlichen Bedingungen leben. Sie spricht mit den Inhaftierten, berät sie in juristischen Fragen, führt kurze Prozesse, wenn es um die Freilassung illegal Verhafteter geht, und hält Kontakt zu den Autoritäten. Für die Ordensfrau ist es Seelsorge, wenn sie so den ganzen Menschen im Blick hat, „so wie es Jesus getan hat“. Einzelhilfe und politische Arbeit – das sind die beiden Säulen ihres Einsatzes.

Seit 15 Jahren lebt Pfaller in Brasilien, wo sie auch Jura studiert hat. Seit zehn Jahren arbeitet sie im Gefängnis und ist Referentin für Gefängnisseelsorge im Bundesstaat Goiania. Als großes Problem des südamerikanischen Landes sieht die Ordensfrau die Gewalt, die überall zu finden sei. 45.000 Menschen würden jährlich in Brasilien durch Gewalttaten getötet, erzählt sie. Zur Polizei gebe es kein Vertrauen. Polizisten seien korrupt, verdienten schlecht, seien miserabel ausgebildet und oft Alkoholiker. „Ich fühle mich im Gefängnis nicht bedroht, auf der Straße jedoch schon“, beschreibt sie die Situation. Angesichts der „legalen Gewalt“ durch die Polizei unterstützt sie auch Familien, die Gewalt erlitten haben, und versucht, Gewalttaten aufzuklären.

Wichtig ist es Pfaller, die Menschenrechtsverletzungen publik zu machen. Mittlerweile ist sie in der Stadt sehr bekannt und wird bei Menschenrechtsverletzungen gerufen. „Ich hätte nicht so viel Ansehen bei den Autoritäten, wenn ich nicht den engen Kontakt zu den Gefangenen hätte. Ich habe das Gefängnis gesehen, erschwitzt und gerochen“, sagt sie und fügt hinzu: „Wir brauchen einen Fuß bei den Leuten. Meine Reden wären sonst leere Worte.“ Ihr Arbeitsfeld Gefängnis sieht sie als geschlossene Gesellschaft, wo sich alles finde, was man auch außerhalb der Gefängnismauern finde – von Gewalt bis zur Solidarität.

Kraft für ihren schwierigen Einsatz schöpft die Ordensfrau aus dem christlichen Glauben. „Der liebende Gott, der alle Menschen als Söhne und Töchter sieht, ist Motiv für mein Handeln.“ Jesus verachte die Sünde, doch er liebe die Sünder. Aus dieser Botschaft heraus versucht Pfaller, Menschen mit Straftaten eine neue Chance zu geben, wenn sie das wollten. Frust und Ohnmacht spüre sie bei ihrem Einsatz fast täglich, dann erhole sie sich bei Stille und Meditation. „Wenn in mal keine Zeit für Stille und Gebet habe, macht mich das nervös. Dann kann ich nicht mehr arbeiten.“

Unterstützt wird die Ordensfrau besonders vom Hilfswerk Adveniat, für das die deutschen Katholiken an Weihnachten spenden. Mit rund 200 Euro greift Adveniat der Ordensfrau monatlich unter die Arme, um Kosten der Gefängnisseelsorge zu decken. Pfaller hofft, dass die Hilfe durch Adveniat fortdauert und dazu beiträgt, die Gesellschaft zu verändern, damit diese künftig weniger Straftäter produziert. „Eine der wichtigsten Aufgaben der Kirche ist die Familienpastoral. Die meisten Straftäter kommen aus kaputten Familien. Deshalb muss Kirche in der Familienarbeit präsent sein.“ Gibt es im harten Alltag der bayerischen Gefängnisseelsorgerin in Brasilien auch ein Erfolgserlebnis? Pfaller überlegt eine Weile und antwortet: „Wenn ich einen Ex-Häftling auf der Straße treffe und er zu mir sagt: Ich habe es geschafft!“

bs (POW)

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