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Gemeinsam gegen Gift und Armut

Misereor-Fastenaktion: Architektin Viviana Arriola berichtet in Würzburg von Arbeit in Lima – Misereor-Partner setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe – Kampf gegen Umweltverschmutzung und für menschenwürdige Wohnverhältnisse

Würzburg (POW) Am fünften Fastensonntag, 10. April, findet im Bistum Würzburg die Misereor-Kollekte 2011 statt. Derzeit bereist die peruanische Architektin Viviana Arriola auf Einladung des Hilfswerks Misereor Unterfranken und berichtet von ihrer Arbeit für die Nichtregierungsorganisation CIDAP, das „Zentrum für Stadtteilberatung, Forschung und Dokumentation“. Die Partnerorganisation von Misereor in Peru greift auf, was Bischof Dr. Friedhelm Hofmann in seinem Hirtenwort zur Fastenaktion schreibt: Die Zustände in den Elendsvierteln dieser Welt dürften Christen nicht hinnehmen. „Mit dem Leitwort ‚Menschenwürdig leben. Überall‘ stellt Misereor das Anliegen dieser Menschen in den Mittelpunkt der Fastenaktion.“ Im vergangenen Jahr kamen im Bistum Würzburg rund 600.000 Euro an Spendengeldern bei der Fastenkollekte zusammen.

„Wir informieren die Menschen über ihre Rechte, helfen ihnen dabei, ihre Interessen zu formulieren und sich selbst zu organisieren. Außerdem geben wir praktische Hilfe für Schritte in Richtung einer besseren Zukunft“, berichtete Arriola in Würzburg. Unter anderem bietet CIDAP Unterstützung in praktischen Fragen wie beispielsweise bei der Stadtplanung, aber auch juristischen Beistand und Hilfestellung beim Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen. CIDAP engagiert sich zum Beispiel im Stadtteil Lomas de Carabayllo im Norden der peruanischen Acht-Millionen-Metropole Lima mit einem Team, zu dem Arriola gehört. Trist und gefährlich ist der Alltag der 35.000 Menschen, die dort leben: kein Anschluss an Trinkwasser- und Abwasserleitungen, geschweige denn an das Elektrizitätsnetz, von Schwermetallen verseuchte Luft und Böden. Außerdem droht dauernd ein starkes Erdbeben.

Vor rund 20 Jahren begann der großen Zustrom aus dem Landesinnern in die Hauptstadt Perus. Massenhaft siedelten sich die Armen an den kahlen Berghängen an. Viele kamen mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Oft sind sie viele Stunden bis ins Zentrum Limas unterwegs, um dort als Tagelöhner oder fliegende Händler zu arbeiten. Zeitgleich mit dem Zustrom an Siedlern kam auch der erste kleine Wirtschaftsboom – und mit ihm der Abfall. Schon die zahlreichen legalen Mülldeponien, die in den vergangenen Jahren errichtet wurden, bringen eine Gesundheitsgefährdung mit sich. Die Ärmsten der Armen leben direkt an der Müllkippe – zum Teil auch darin. Sie sammeln alles, was noch nutzbar ist, und verkaufen es an Zwischenhändler: Papier, Plastikflaschen, Hühnerabfälle, alte Ziegelsteine oder Metall.

„Die legalen Müllkippen sind aber nicht der Grund, warum Lomas de Carabayllo von einem blühenden Garten zur Wüstenstadt wurde“, sagt Arriola: Auf dem wertvollen Ackerboden in der Talsohle entstanden im Lauf der Jahre viele illegale Ziegeleien. Auch Zementfabriken siedelten sich an und fraßen sich ebenfalls in die Landschaft. Die verbliebenen Ackerflächen wurden mit Straßen erschlossen. Heute werden sie von Landspekulanten als Bauland an Familien des Mittelstands verkauft – häufig mit Einwilligung korrupter Staatsbediensteter. „Leidtragende sind die Armen und die Umwelt.“ Die aufgegebenen Lehm- und Kalkgruben werden zur illegalen Entsorgung von Giftmüll genutzt. Im Hochsommer steigt schwarzer und dichter Rauch aus ihnen auf und verwandelt die Landschaft in ein einziges apokalyptisches Szenario.

„Ein großes Problem sind alte Autobatterien, die in großem Stil in unser Land kommen. Peru hat kein gesetzliches Importverbot für diesen Giftmüll.“ Um das in ihnen enthaltene Blei herauszulösen, werden die Batterien angezündet und so das Metall eingeschmolzen. Während fadenscheinige Firmen den Gewinn einstreichen, leiden die Bewohner. „Eine Untersuchung der Kinder aus Lomas de Carabayllo hat Konzentration von Blei und anderen Schwermetallen im Blut der Kinder festgestellt, die um den Faktor fünf über den von der WHO festgelegten Höchstgrenzen liegt“, berichtet Arriola. Neben Organschäden klagten viele Kinder über Konzentrationsschwierigkeiten und Wachstumsstörungen oder litten an Blutarmut. Hinzu kämen die ohnehin kärglichen Lebensumstände.

„Die Menschen wohnen meist in Konstruktionen aus Strohmatten und Karton, ohne Bad und richtige Toilette. In unseren Augen fehlt ein staatliches Wohnungsbauprogramm, dass jedem Peruaner eine angemessene und menschenwürdige Unterkunft garantiert.“ Bewusstseinsbildung gehört nach Arriolas Worten zu den Säulen der Arbeit von CIDAP. „Unsere Lösungsansätze setzen bei den Menschen an und werden nicht ‚von oben‘ herab verordnet.“ In Sachen Bleischmelze zum Beispiel gingen die Menschen auf die Straßen und forderten ein Ende der Umweltverschmutzung. „Hier sind – wie in vielen Bereichen auch – die Rechtsvorschriften zu allgemein, als dass die staatlichen Stellen von sich aus tätig werden.“ Als Teilerfolg wurden die zwei größten Einrichtungen dieser Art von den Behörden geschlossen. „Und das Umweltministerium hat auf den Druck der Straße hin eine Luftmessstation eingerichtet.“ Natürlich sei das Ganze nicht ohne mehr oder weniger subtile Drohungen der Schattenwirtschaft gegen die Stadtteilbewohner und auch CIDAP von statten gegangen. „Wir wissen aber, dass wir gemeinsam stärker sind.“ Das gilt auch in anderen Belangen: Bewohner des Stadtviertels können nur dann rechtmäßig einen Besitztitel auf ihr Grundstück erwerben, wenn ein Minimum an Erdbebensicherheit nachweisbar ist. Deshalb zeigt die Architektin Arriola den Leuten, wie sie mit einfachen Mitteln Stützmauern errichten können, um den Hang vor dem Abrutschen zu sichern. „Sie sollten einmal den Stolz in den Augen der Frauen sehen, deren Kinder auf so ein Bauwerk deuten und sagen: ‚Das hat meine Mama mitgebaut‘.“

Zu Arriolas weiteren Projekten zählt auch ein Modellhaus, das aus kostengünstigen Materialien wie Lehm und Bambusrohr erstellt wird und zudem erdbebensicher ist. „Außerdem ist darin ein Bad Standard. Und wenn die Familie wächst, lässt sich einfach ein weiteres Modul anbauen.“ Weil es leicht nachzubauen sei, wirke jedes dieser Gebäude als Multiplikator der Idee. Gut angenommen werde auch das Projekt „Das gesunde Badezimmer“: In naher Zukunft werde der Stadtteil an das Wasserleitungsnetz angeschlossen werden, verkündete Staatspräsident Alan García bei einem Besuch vor Ort gegenüber einer Bürgerbewegung, die durch die Unterstützung von CIDAP entstand. „Wir sagen den Leuten, dass sie in Ihren Häusern schon jetzt einen Wasser- und einen Abwasseranschluss brauchen, damit sie dann vorbereitet sind“, berichtete die Architektin. Ein Leitungssystem sorge dafür, dass das Brauchwasser gefiltert und dann im Tal zur Bewässerung der Grünflächen genutzt werde. „Nicht zu reden vom gesteigerten Selbstwertgefühl, das die Menschen schon jetzt haben, wo sie ein von einem Wasserfass auf dem Dach gespeistes WC und eine Dusche besitzen. Selbst die Kinder waschen sich jetzt gerne.“

Weitere Informationen zum Hilfswerk „Misereor“ im Internet unter www.misereor.de sowie zu CIDAP unter www.kinderfastenaktion.de.

(1411/0408; E-Mail voraus)

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