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„Für den da sein, der uns braucht“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann beim Pontifikalamt am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 2012, im Neumünster zu Würzburg

Liebe Schwestern und Brüder,

„Meine Augen haben das Heil gesehen.“

Der Schriftsteller Tankred Dorst hat in seinem von der Ludwig-Mülheims-Stiftung prämierten Stück Korbes eine Situation eines im Alkohol und Schmutz dahin vegetierenden Mannes geschildert, die auf die heutige Problematik unserer Gesellschaft verweist. In diesem Werk wird uns ein Mann vor Augen geführt, der unter erheblichem Alkoholeinfluss in seiner verschmutzten Behausung dahinvegetiert. Über ihm psalmieren Engel einen wunderbaren lateinischen Choral. Aber diese himmlische Musik erreicht ihn nicht.

Ich frage mich oft, wieso kommt unsere Frohe Botschaft so wenig bei unseren Mitmenschen an? Die Suche nach Lebensglück, Frieden und Werte ist offensichtlich stark. Fragt man junge Menschen, was sie sich besonders wünschen, dann werden Frieden und Freiheit, eine stabile Ehe und ein gesicherter Arbeitsplatz an erster Stelle genannt. Fragen nach Gott, nach einem tragfähigen Glauben, der das ewige Leben mit einschließt, werden seltener genannt. Woran liegt es?

Die Botschaft, dass ich nicht in diese Welt hineingeworfen und mir selbst ausgeliefert bin, sondern von Gott her gewollt und geliebt bin, ist doch nicht unwichtig. Die Verheißung, dass mein Leben nicht im Tode ausgelöscht, sondern in Gottes Wirklichkeit zeitlos vollendet wird, ist doch von elementarer Bedeutung.

Es scheint, als ob man zwar die Botschaft hört, ihr aber nicht glaubt! Wie kommt das?

Wir feiern oft eine wunderbare Liturgie, sprechen von Gott und loben ihn in kostbaren Psalmen und Gesängen, aber dies wird innerlich von vielen Menschen nicht rezipiert. Sie glauben nicht, dass diese Botschaft wahr ist. Es geht ihnen oft wie Korbes: In der eigenen Lebensproblematik erreicht sie nicht wirklich das befreiende Evangelium.

Gesucht werden Menschen, die die Wahrheit dieser Froh-Botschaft durch ihr Leben bezeugen.

Ich weiß nicht, liebe Schwestern und Brüder, wie Sie zum Glauben an den uns liebenden Gott gefunden haben. Ich weiß nicht, wie Sie Ihre Berufung zum geistlichen Leben erfahren haben. Bei mir war es die eigene gottesdienstliche Erfahrung, gepaart mit dem glaubwürdigen Zeugnis einiger Priester, Pfarrer und Kapläne, einiger Ordensschwestern in Kindergarten und Caritas sowie christlich geprägter Lehrerinnen und Lehrer. Es waren Menschen, die durch ihre Person und ihr Verhalten Gottes Liebe zu uns sichtbar machten. Es waren allesamt Menschen, die wie Simeon im Tempel von sich sagten: „Meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast.“ (Lk 2,30/31)

Hier scheint mir der entscheidende Ansatz einer Re-Evangelisierung in unserem Lande zu liegen: Wir brauchen Frauen und Männer, die von der Frohen Botschaft erfüllt sind und gleichsam innerlich brennen. Um für diese Wahrheit entflammt sein zu können, brauchen wir die reale Begegnung mit dem Herrn.

Als das Jesuskind – 40 Tage nach seiner Geburt, dem mosaischen Gesetz entsprechend – von Maria und Josef in den Tempel gebracht wurde, war kein äußerer Glanz dabei. Es waren keine jubelnden Engelchöre zu vernehmen. Jesus wurde wie ein Kind armer Eltern Gott dargebracht. Aber Simeon und die vierundachtzigjährige Witwe Hanna erkannten in diesem unscheinbaren Kind den verheißenen Erlöser. Beiden waren die Augen des Herzens geöffnet. Sie sahen durch das Vordergründige hindurch in diesem Jungen die Erfüllung der messianischen Verheißung gegeben. Sicherlich war dies das Werk des Heiligen Geistes. Auch uns wird es nicht anders ergehen.

Von diesen beiden alten, lebenserfahrenen Menschen sagt Lukas, dass sie gerecht und fromm, Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten dienten. Dieses an Gott verschenkte Leben ist Voraussetzung, in dem Kind von Betlehem den Messias zu erkennen, und zugleich Anlass für ihre Zeugenschaft.

Ist das nicht auch unsere Aufgabe? Schauen unsere Mitmenschen nicht mit Recht auf uns und unsere Lebensführung? Ist es deshalb nicht auch so katastrophal, dass durch unser menschliches Versagen – und hier erst recht im Bereich des Missbrauchsskandals – das Vertrauen in die Botschaft Gottes verloren geht?

Unsere Mitmenschen suchen, wenn sie schon nicht selbst die unmittelbare Gotteserfahrung machen, Menschen, die aus dieser Erfahrung heraus ihr Leben neu und anders einrichten als es sonst üblich ist. Hierhin gehört die betende und betrachtende Grundhaltung, für die wir uns mit Recht Zeit nehmen dürfen. Hierhin gehört auch das starke Zeichen des Zölibates, der im Alltag erlebbaren Ganzhingabe an Gott und unsere Mitmenschen. Als Frauen und Männer der Kirche gilt für uns kein Beamtenstatus, sondern die Bereitschaft, stets für den da zu sein, der uns braucht. Ausruhen und Auftanken dürfen wir immer wieder neu in der Gegenwart Gottes, im Gebet, in der Anbetung, der Feier der Sakramente und im Lesen und Betrachten der Heiligen Schrift.

Liebe Schwestern und Brüder,

ich danke Ihnen allen für Ihr Lebenszeugnis. Vieles geschieht im Verborgenen und wird von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen. Vieles geschieht im Unauffälligen, in der Einzelbegegnung. Aber immer ist selbst der kleinste Beitrag ein Meilenstein für die Menschen, die Gott suchen und auf diesem Wege die Augen des Herzens geöffnet bekommen.

Uns ist nicht auf dieser Erde ein schmerzfreies, glückliches Leben verheißen. Simeon spricht Maria vom Schwert, das ihre Seele durchdringen wird. Sie hat es wahrlich erfahren. Auch uns wird es nicht anders ergehen. Aber es ist kein sinnloses Leiden, kein Ausblenden einer berechtigten Lebensfreude. Es ist vielmehr ein Absterben des Weizenkorns, damit das neue Leben Raum findet.

Vertrauen wir Gott und seiner uns begleitenden Liebe. Schauen wir auf ihn, der uns in Jesus Christus den Lebensweg vorangegangen ist. Ruhen wir bei ihm aus, tanken wir bei ihm neue Kräfte und verkünden wir, dass wir das Heil gesehen haben, das er vor allen Völkern bereitet hat. Amen.