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Engel als „himmlische Dienstleister“

Die Esoterik bedient sich der „göttlichen Boten“ – Sektenreferent Dr. Jürgen Lohmayer: Gefahren bestehen bei Abhängigkeit – Reflektierte Rede wichtig

Würzburg (POW) Es gibt sie als Figürchen aus Ton, Porzellan, Glas – sogar in Plüsch. Es gibt sie auf Ölgemälden, in Holzschnitten, in Kupferstichen. Und es gibt sie in Büchern, in Erzählungen, in Geschichten und in Kirchen. Die Rede ist von Engeln. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit scheinen ihre Darstellungen allgegenwärtig zu sein. Eine Internetsuchmaschine erzielt rund 105 Millionen Ergebnisse zu dem Stichwort. Weit vorne mit dabei: Engelorakel, Engelkarten – Angebote aus dem Bereich der Esoterik. Mehrere dieser Seiten bietet die Internetsuchmaschine an, bevor sie die erste religiöse Seite zur Thematik findet. Eine Tendenz, die Dr. Jürgen Lohmayer, Leiter des Referats für Weltanschauungs-, Religions- und Sektenfragen der Diözese Würzburg, bestätigen kann: „Engel sind in der Esoterik sehr präsent.“ Warum? Und welche Gefahren lauern dahinter? Eine Spurensuche.

Um den Engel-Hype verstehen zu können, sollte also zuerst einmal der Begriff genauer betrachtet werden. „Der Begriff ‚Engel‘ bedeutet Bote. Er ist eine Funktionsbezeichnung. Aber nicht der Bote an sich steht im Vordergrund, sondern die theologische Botschaft, die er bringt oder für die er als personifizierte Botschaft selber steht“, erklärt Lohmayer. So verkündet im Weihnachtsevangelium des Lukas der Engel den Hirten die Geburt des Erlösers. Drei Engel sind in der Bibel namentlich genannt: Michael, Raphael und Gabriel. Schon ihre Namen stehen für eine Botschaft: So bedeutet Michael: „Wer ist wie Gott?“ Raphael heißt „Gott heilt“ und Gabriel „Meine Stärke ist Gott“. „Diese Engel sind keine ‚dinglichen‘ Geister, über die der Mensch nach Belieben und Bedarf verfügen kann, sondern verkörpern theologische Botschaften. Ihre Realität ist sprachlicher Natur. Sie markieren die Repräsentanz, die Zusage der Gegenwart Gottes in Situationen der Krise.“

Ganz anders in der Esoterik, da spielt Gott keine Rolle. Eine Forsa-Umfrage für das Geo-Magazin im Jahr 2005 ergab, dass 66 Prozent der Befragten an einen Schutzengel glauben und von diesen 66 Prozent nur 64 Prozent an Gott. Immer mehr Menschen wenden sich vom Christentum ab, haben den Glauben an die Kirche oder an Gott verloren. Aber oft ist eine gewisse Form von Religiosität noch vorhanden, „die findet ihren Niederschlag in der Esoterik“, weiß Lohmayer. Denn anders als im Umgang mit der Bibel, wo Texte ausgelegt und interpretiert werden müssen, findet sich irgendwo in den unzähligen Esoterik-Ratgebern eine maßgeschneiderte Antwort auf ein spezifisches Problem – es muss nur lange genug geblättert werden. „In der Esoterik sind Engel eine Instanz, die Bedürfnisse befriedigt – also gewissermaßen himmlische Dienstleister“, betont Lohmayer. Anders als bei den großen Weltreligionen stehen Engel in der Esoterik für sich selbst. Jeder kann sich seinen persönlichen Schutzengel aussuchen und für seine Zwecke nutzen. „Man ruft ihn dann beispielsweise an, um einen Parkplatz zu finden.“ So schildert es zumindest Giulia Siegel in ihrem Engelbuch.

Als Engelmedium versteht sich Alexa Kriele – als jemand, der mit Engel Kontakt aufnehmen kann. Bei diesem sogenannten „Channeling“ fragt sie beispielsweise, ob der Schutzengel einen Motorschaden erkennen kann. Antwort: Schutzengel hätten lediglich die Information, dass Autofahren gefährlich sein kann, aber die Naturgeister wüssten über Motortechnik Bescheid. Krieles Bücher erscheinen in mehreren Auflagen – die Nachfrage ist groß. Aber nicht nur Engel-Bücher finden reißenden Absatz, auch Engel-Essenzen, Parfüms, die heilen oder Gelassenheit bewirken sollen. Oder Engelwachtkarten, die „konzentrierte spezielle Energie unterschiedlicher Grade bündeln und ausstrahlen“, heißt es vom Anbieter: „Die Information wird durch bestimmte Farbfrequenzen beziehungsweise Schwingungen erzeugt.“ Diese Engelkarten gibt es für „Anfänger und Fortgeschrittene“ mit 18 Karat Blattgold verziert. Eine kostet 21 Euro, ein komplettes Set (14 Karten) 261 Euro.

Es zeigt sich: Esoterik ist eine Goldgrube. Nach Lohmayers Informationen liegt der geschätzte Umsatz pro Jahr in Milliardenhöhe. Besonders auf den Esoterikmessen wird das deutlich. Das Publikum: „überwiegend Frauen zwischen 30 und 40 Jahren“, sagt Lohmayer. Alles nur Spinnereien? Mitnichten. „Es kann gefährlich werden, wenn es in eine Abhängigkeit führt“, warnt Lohmayer. Wer wegen jeder Kleinigkeit Schutzengel oder Waldgeister zu Rate zieht, baue sich einen naiven Gegenkosmos auf – Flucht aus der Realität. Ständiges Konsultieren von „Gurus“ führt nicht nur zur Unselbstständigkeit, sondern stürzt den Betroffenen auch in den finanziellen Ruin.

Gefährdet seien vor allem Menschen mit Beziehungsproblemen im privaten oder beruflichen Umfeld. Sie suchen Aufmerksamkeit, Anerkennung, Verständnis, Mitgefühl – und alles das bekommen sie bei diversen esoterischen Anbietern. „Das ist eine Form von Seelsorge im nicht üblichen Raum“, sagt Lohmayer. Die Menschen würden nach Gesprächsmöglichkeiten suchen. Bei richtigen Problemen fühlten sich viele bei den Kirchen nicht ernst genommen, sei die Kirche keine Option. Dabei „predigt“ die Esoterik vor allem „die Selbstoptimierung“, arbeitet mit dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Anders als der christliche Glaube kenne die Esoterik keine Gnade, „sie ist buchstäblich gnadenlos“, sagt Lohmayer. Gerade weil „Engel“ sich großer Beliebtheit erfreuen, plädiert er daher für eine äußerst reflektierte „Rede über Engel“. Ihr sollten Kirche und Theologie sich stellen.

(5011/1330; E-Mail voraus)

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