Würzburg (POW) Paul Kastner ist etwas Besonderes, auch wenn er sich nicht so fühlt. Doch Kastner macht etwas, das es bald nicht mehr geben wird: Er ist Zivildienstleistender beim Würzburger Malteser Hilfsdienst (MHD) – und zwar einer der letzten. Waren vor rund zehn Jahren noch bis zu zehn Zivildienstleistende gleichzeitig im MHD-Rettungsdienst tätig, sind aktuell neben Kastner nur noch zwei weitere Zivildienstleistende für die Malteser im Einsatz. Im Oktober hat der 20-Jährige mit dem Dienst angefangen, Ende März endet seine Dienstzeit. Doch zur Freude der Malteser hat er bis Juni freiwillig verlängert.
„Dass ich zum Zivildienst gehen muss, war mir schon immer klar, daher ärgere ich mich nicht, dass kurz nach meiner Musterung die Wehrpflicht abgeschafft wurde“, sagt Kastner, der in weißem Pullover mit rot hinterlegten Malteserkreuz auf der Brust und blauer Rettungshose am Krankenwagen lehnt. Er gibt zu, dass die Musterungen aus seiner Sicht schon lange ungerecht waren: „Wer keine Lust auf die Wehrpflicht hatte, konnte sich leicht rausreden.“ Über- oder Untergewicht, Schaden an der Wirbelsäule: Die Liste angeblicher Ausmusterungsgründe war wenig kreativ, aber trotzdem effektiv. Viele seiner alten Schulkameraden hätten das genutzt.
Kastner begrüßt daher die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, ende mit ihr doch ein Stück Ungerechtigkeit. Er findet aber, dass jeder junge Mensch verpflichtend ein soziales Jahr ableisten sollte, egal ob Mann oder Frau. Dass er seinen Dienst bei den Maltesern verlängern wird, stand für Kastner schnell fest. „Nach sechs Monaten stehst du irgendwo zwischendrin. Kaum hast du dich eingearbeitet und den Lehrgang zum Rettungshelfer absolviert, ist auch schon wieder Schluss“, sagt er. Außerdem beginnt sein Studium an der Universität erst im Oktober. Die Zeit bis dahin möchte er bei den Maltesern sinnvoll nutzen.
Manfred Kirst ist Rettungsdienstleiter bei den Würzburger Maltesern. Er setzt all seine Hoffnungen auf den neuen Bundesfreiwilligendienst, der den Zivildienst ersetzen wird. „Bisher sind aber unsere Erwartungen nicht erfüllt worden“, sagt er. Lediglich zwei Bewerbungen liegen auf dem Tisch – zu wenig. Einige Hoffnungen setzt Kirst auf den doppelten Abiturjahrgang in diesem Jahr, schließlich würden nicht alle einen Studienplatz bekommen und so mit dem Freiwilligenjahr vielleicht die Zeit überbrücken. Doch im Allgemeinen sieht Kirst ein „nachlassendes Interesse der jungen Menschen, sich sozial zu engagieren“.
Dass es zukünftig für den Freiwilligendienst zu wenige Bewerber geben könnte, befürchtet auch Kastner. „Der Antrieb wird bei diesem Dienst fehlen“, glaubt er. Bisher sei ja das Bundesamt für Zivildienst hinter einem her gewesen, doch bei einem freiwilligen Jahr überlegten sich viele sicher etwas anderes. Kein Wunder, schließlich verdienen die Jugendlichen beim Freiwilligendienst nur rund 330 Euro im Monat, da lässt sich beim Kellnern das Taschengeld schneller aufbessern.
Kastner kann trotzdem jedem empfehlen, nach der Schule eine Zeit lang etwas Soziales zu tun. „Es kann nur sinnvoll sein, gerade wenn man studieren möchte, zuvor ein wenig Berufsalltag kennenzulernen“, sagt er. Kastner möchte nach seinem Zivildienst zur Uni und wahrscheinlich Agrarökonomie studieren. Seine Zeit bei den Maltesern wird er auf jeden Fall nicht vergessen. Immer wieder erlebt er als Rettungshelfer Geschichten, die so nur das Leben schreiben kann. Einmal standen seine Kollegen und er vor der Wohnungstür einer verwirrten Frau, um diese ins Krankenhaus zu bringen. Da sie nicht öffnete und auch nicht antwortete, musste die Polizei später die Türe einschlagen, berichtet Kastner. Ein anderes Mal musste er einen Patienten aus einer Würzburger Klinik sogar bis nach Dortmund nach Hause fahren. „An solche Geschichten denke ich immer wieder“, sagt er. Sie ließen vergessen, dass es manchmal auch ein sehr anstrengender Job sei. Ein Job, den Kastner, so wie viele Millionen junger Männer vor ihm, machen musste und den es ab Sommer in seiner jetzigen Form nicht mehr geben wird.
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