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„Eine unzählbar große Schar von Heiligen“

Predigt von Bischof Dr. Friedhelm Hofmann am Hochfest Allerheiligen, 1. November 2011, in der Würzburger Neumünsterkirche
Liebe Schwestern und Brüder,

zu den beeindruckendsten Kirchenräumen der Welt gehört sicherlich die römische Kirche Sancta Maria ad Martyres. Sie ist den Rom-Besuchern besser unter dem Namen Pantheon bekannt. Dieser ursprünglich (im Jahre 12 v. Chr.) allen Göttern geweihte Tempel war nach Zerstörung später von Kaiser Hadrian errichtet worden.

Im Jahre 609/610 wurde dieser großartige Kuppelbau durch Papst Bonifaz IV. der Heiligen Maria zu den Märtyrern geweiht. Mit diesem Weihefest wurde der Blick auf die Gottesmutter und die zahlreichen Märtyrer und schließlich auf alle Heiligen gelenkt. So entstand aus dem Weihefest dieser römischen Kirche das Allerheiligenfest.

Im zweiten Jahrtausend nach Christus wurde dieses Fest immer populärer. Zum einen durfte man im Blick auf die Heiligen schon auf die eigene Vollendung vorausschauen. Zum anderen durfte man sich der Fürbitte dieser bei Gott vollendeten Menschen gewiss werden.

Man kann diesen Festtag geradezu als das „Ostern des Herbstes“ bezeichnen. Denn so wie sich der Blick in der gewaltigen – im Zentrum stets offenen – Kuppel des Pantheons in den Himmel verliert, so wird die Sicht des Gläubigen auf die in der Ewigkeit bei Gott vollendeten Menschen – und damit auf den Himmel – gelenkt.

Heilige sind Menschen, die ihr irdisches Pilgerziel bei Gott erreicht haben. Darunter sind nicht nur die Menschen zu verstehen, die einen eigenen Heiligsprechungsprozess durchlaufen haben und feierlich vom Papst kanonisiert worden sind – das heißt: in der Kirche öffentlich als Heilige verehrt werden dürfen. Sondern auch die Menschen sind Heilige, die das irdische Pilgerziel durch den Tod hindurch bei Gott erreicht haben. Das können ganz unbekannte Personen sein, Menschen aus dem eigenen Verwandten- und Bekanntenkreis, von denen niemand spricht, die aber im Einklang mit dem Willen Gottes ihr Leben vollendet haben. Auch sie sind uns vorausgeeilt zu einem Ziel, das uns als Lebenssinn Stärke und Hoffnung gibt.

Am 15. Mai dieses Jahres wurde in unserem Dom der Würzburger Pfarrer Georg Häfner selig gesprochen. Dieses Ereignis klingt nach und behält seine Anziehungskraft nicht nur dadurch, dass seine Asche aus dem Krematorium Dachau in der Krypta der Neumünsterkirche aufbewahrt wird, sondern auch dadurch, dass sein Lebenszeugnis in einer der schwersten Zeiten unseres Landes als Knecht Gottes die Treue zu Christus und die Liebe zu den ihm Anvertrauten in seiner Gemeinde bezeugt. Er ist vorbildlicher Glaubenszeuge und helfender Fürbitter im Himmel.

In der ersten Lesung des heutigen Allerheiligenfestes wird uns in einer großartigen Vision durch den Apostel Johannes ein Blick in den Himmel ermöglicht.

Normalerweise bleibt uns der Himmel ziemlich verschlossen. Das hat viele Gründe. Eine besondere Rolle aber spielt, dass der Himmel so ganz anders ist, als wir es uns vorstellen können. Eben hörten wir noch in der Lesung aus dem Johannesbrief: „Jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ (1 Joh 3,2) Wir werden Gott sehen, wie er ist! Das erwartet uns im Himmel.

Gottes Himmel ist so groß und umfassend, so ganz anders als wir uns das vorstellen können, so dass wir dazu Hilfe brauchen, um wenigstens ein wenig von seinem Glanz und seiner Größe zu erfassen.

Der Apostel Johannes gibt uns eine Hilfestellung. Er hat einen Blick in den Himmel wagen dürfen. Er war wegen seines christlichen Glaubens auf die Insel Patmos verbannt worden und beschreibt nun in dem einzigen prophetischen Buch des Neuen Testamentes, wie er einen Blick in die großen Zusammenhänge der Weltschöpfung, der Entstehung des Bösen, der Erlösung und der Vollendung im Himmel werfen darf.

In faszinierenden Bildern, Symbolen und Metaphern versucht nun dieser Seher die gewaltigen Erlebnisse in Gedanken und Vorstellungen zu formen und in eine Sprache umzusetzen, die eigentlich dafür gar nicht ausreicht.

So beschreibt er zum Beispiel die Heiligen als Knechte Gottes. Ihnen soll ein Zeichen auf die Stirn gedrückt werden, das sie von allen anderen unterscheidet.

Heilige sind Freunde Gottes mit einem Zeichen auf der Stirn. Ich muss an dieser Stelle immer an das Kreuzzeichen denken, das wir als Kinder von der Mutter auf die Stirn gezeichnet bekommen haben. Ein Kreuzzeichen sollte uns bewusst machen: Du bist etwas Besonderes. Du darfst das Zeichen Jesu tragen. Er hat für dich einen Weg in den Himmel gebahnt!

Johannes berichtet nun von 144.000, die dieses Zeichen auf der Stirn tragen und gerettet werden. Vielleicht fragen Sie sich jetzt auch: Sind das nicht nur allzu wenige, die da im Himmel sind? Über die Jahrhunderte hinweg nur 144.000?

Diese Zahl ist symbolisch gemeint. Es geht um das gesamte Gottesvolk. Im Alten Bund gab es die zwölf Stämme Israels. Aus jedem Stamm wird eine – für damalige Verhältnisse – ungeheuerlich große symbolische Zahl genannt: 12.000. Zwölfmal 12.000 ergibt dann 144.000. Das heißt: Eine gewaltige große Zahl wird gerettet. Viele, sehr viele werden dazu gehören, wie es im Text ja auch weiterhin heißt: „Danach sah ich: eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen.“ (Offb 7)

Es ist also genügend Platz im Himmel für eine unzählbar große Schar von Heiligen – und auch noch für Sie und mich!

Morgen pilgern wir mit über 200 Personen unseres Bistums auf dem Schiff nach Köln zu den Weisen aus dem Morgenland, den Heiligen Drei Königen. Wir werden aber nicht nur an ihrem Schrein im Kölner Dom verweilen, sondern auch die Gräber des hl. Albertus Magnus und der Seligen Adolph Kolping und Duns Scotus besuchen. Sie sind uns – wie alle anderen Heiligen – in den Himmel vorausgegangen. Möge unsere irdische Pilgerfahrt uns helfen, die Pilgerreise unseres Lebens zu bestehen.

Amen.