Würzburg/Erfurt (POW) Bespitzelung von Pfarrern? Grenzkontrollen bei Bistumsmitarbeitern? Und das alles im Bistum Würzburg? Bis zum Mauerfall war das möglich. Teile der Diözese Würzburg lagen seit dem 8. Jahrhundert in Thüringen. Später wurden diese an das Bistum Erfurt abgegeben. Vielfältige Einblicke in die Entwicklung des heutigen Bistums Erfurt hat Dr. Erik Soder von Güldenstubbe, langjähriger Würzburger Bistumshistoriker, auf einer Tagung anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Bistums Erfurt am Samstag, 19. Oktober, in Erfurt gegeben.
Die Zahl der Katholiken im heutigen Bistum Erfurt schwankte in der Historie stark. Zum Beispiel durch den Zweiten Weltkrieg und Heimatvertriebene. Die Besonderheit des Bistums Erfurt ist, dass es eines der jüngsten Bistümer Deutschlands ist, das 1994 nach der Wiedervereinigung entstand. Als ein Teil des heutigen Bistums Erfurt noch zu Würzburg gehörte, ließ der spätere Bischof von Würzburg Ferdinand von Schloer ein Bischöfliches Kommissariat in Meinigen errichten, von wo aus der Thüringer Teil der Diözese verwaltet werden sollte. Soder von Güldenstubbe hob besonders die Entwicklung während der 1950er Jahre und damit den Beitrag von Robert Kümmert, ehemaliger Direktor der Würzburger Caritas, hervor. Kümmert habe sich stark für die Seelsorge im gesamten Thüringen eingesetzt, egal wo die „willkürlichen Grenzen“ verliefen. Deshalb habe er sich einen Zweitwohnsitz in Mellrichstadt ausgesucht, um dort den „Kleinen Grenzverkehr“ nutzen zu können.
Auch der heutige Ehrendomherr Prälat Dieter Hömer war damals als Bischofsvikar des Vikariates Meiningen tätig. Dort machte er die Erfahrung, bespitzelt zu werden. Soder von Güldenstubbe berichtete, dass er selbst bei einer Rückreise in die BRD durch DDR-Grenzbeamte kontrolliert und nach dem Fund eines von Bischof Dr. Joachim Wanke verfassten Hirtenbriefs auch verhört worden sei. Im Jahr 1974 habe es zudem Gerüchte gegeben, dass der Sarg von Weihbischof Karl Ebert, Bischofsvikar von Meiningen, bei der Überführung nach Würzburg geöffnet und kontrolliert worden sei, da der Sarg vor der Beisetzung noch einmal ausgetauscht worden sei.
Ende der 1980er Jahre habe der Wunsch nach einem geeinten Deutschland in der „thüringischen Diaspora“ eine immer größere Rolle gespielt. Soder von Güldenstubbe berichtete vom späteren Würzburger Bischofsvikar Alfred Viering, der von 1954 bis 1998 Seelsorger in Südthüringen war. Dieser erzählte von den Gottesdiensten in Bad Salzungen. Ab Oktober 1989 fanden dort ökumenische Friedensgottesdienste mit anschließenden Demonstrationen statt. Zehn Jahre später berichtete Viering im Sonntagsblatt: „Rund 1500 Menschen kommen zu den wöchentlichen Friedensgottesdiensten in dem 22.000 Einwohner zählenden thüringischen Kurort. Der Platz reicht nicht aus. Viele müssen vor dem Gotteshaus stehen bleiben. Doch sie kommen. Die Bilder aus Leipzig und Dresden, aus Prag und Budapest – sie ermutigen auch die Menschen in Südthüringen.“ Das Bistum Erfurt wurde schließlich, mit ehemaligen Teilen des Bistums Würzburg, am 18. September 1994, knapp vier Jahre nach der Wiedervereinigung errichtet.
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