Mbinga/Hammelburg (POW) Zwei Räume mit Regalen voller Computermonitore und -gehäuse. Nebenan eine Werkstatt mit feinsäuberlich aufgereihten CD-Rom-Laufwerken, Festplatten, Grafikkarten und Speicherbausteinen, einzeln mit Post-it-Aufklebern mit der Aufschrift „OK“ oder „defekt“ versehen. So sieht das Reich von Philipp Merz (20) in der Computerschule von Mbinga aus. Als Weltwärts-Freiwilliger leistet der Hammelburger, organisiert über das Würzburger Büro des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), auf dem Gelände am Bischofshaus der tansanischen Partnerdiözese Würzburgs seit September 2010 Dienst. Montags bis freitags kümmert er sich darum, dass die PCs laufen, an denen junge Afrikaner sich in Sachen Internet, E-Mail und Microsoft Office fit machen lassen.
Nach dem Abitur am Frobenius-Gymnasium seiner Heimatstadt musste Merz nach der Musterung zwischen dem Gang zur Bundeswehr oder dem Zivildienst wählen. Als er dann von der Möglichkeit erfuhr, im Ausland tätig zu werden, entschied er sich bereitwillig dafür, auch wenn die Dauer von elf Monaten kein Pappenstiel ist. „In meiner Familie haben mich alle bei dieser Entscheidung unterstützt. Nur meine Mutter war ein wenig traurig.“ Nach einem gemeinsamen Einführungskurs mit anderen Weltwärts-Freiwilligen in Tansanias Hauptstadt Daressalam, bei dem es auch einen Crashkurs in der Landessprache Kisuaheli gab, kam Merz nach Mbinga, wo er seiner Neigung entsprechend die vom Verein Brückenschlag Tansania gestifteten Computer wartet.
Am aufgeschraubten PC-Gehäuse prüft Merz die internen Kabelverbindungen. Der Rechner gibt eine rätselhafte Kombination von Pieptönen von sich und fährt nicht mehr hoch. „Daheim würde ich einfach ins Internet gehen und mich schlau machen, welcher Fehlercode sich dahinter verbirgt. Hier habe ich nur Internetanbindung über mein Handy.“ Weil das Aufrufen entsprechender Seiten länger dauert als eine Fehlerbeseitigung nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum, werkelt er unbeirrt weiter. „Das erste was ich hier gelernt habe, ist das andere Verhältnis zur Zeit. Zeit ist das einzige, wovon die Leute hier wirklich mehr als genug haben.“ Entsprechend geduldig ist der Hammelburger inzwischen auch, wenn er für die Pentium-3-Rechner mit dem seltenen Windows-2000-Betriebssystem dann einen Treiber aus dem Internet herunterladen muss.
Und noch etwas hat er im tansanischen Hochland schätzen gelernt: Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen. „Wenn ich einen Weg nicht weiß, dann ist es hier nichts Ungewöhnliches, dass mich jemand bis ans Ziel begleitet, um sicherzustellen, dass ich mich nicht verlaufe.“ Am Markt sei es ihm auch schon passiert, dass der Händler, der keine Tomaten hatte, ihn zum nächsten Stand begleitet habe, wo die gewünschte Ware vorrätig war. „Weil dort gerade keiner zum Verkauf anwesend war, hat dann der andere Händler die Tomaten gewogen, abkassiert und das Geld hinterlegt.“
An den Wochenenden hat Merz schon viele Erkundungstouren ins Umland unternommen, zum Beispiel an den Nyasa-See, das drittgrößte Binnengewässer Afrikas. Auf den zum Teil sehr rauen, unbefestigten Pisten ein mitunter abenteuerliches Unterfangen. „In der Regenzeit ist der Schlamm auf den Wegen zum Teil knöcheltief.“ Als Sozius auf einem der Motorräder chinesischer Bauart, die vielen Einheimischen als Fortbewegungsmittel dienen, könne es auch bei regulären Bedingungen schon einmal passieren, dass man vom Sitz gestoßen werde, wenn der Fahrer um seine Sicherheit fürchte, berichtet er schmunzelnd.
Den Kontakt mit Freunden und Familie hält Merz via E-Mail. „Der Vorteil ist, dass ich mir Zeit lassen kann mit der Antwort“, sagt er mit einem Lächeln. Die Kommunikation mit der Heimat gehört zur Freizeitgestaltung der derzeit drei Weltwärts-Freiwilligen in Mbinga. Gemeinsam wohnen Johannes Müller (23) aus Tamm, Hannah Hofmann (20) aus Karlstein und Merz in einem Haus in der Nähe der Pfarrkirche Sankt Aloysius am anderen Ende von Mbinga. Gemeinsam kochen sie abends oder schauen gelegentlich Filme an, die via Festplatte aus der Heimat geschickt werden. „Die Geduld und Ruhe, die ich hier gelernt habe, werde ich vermutlich in Deutschland nicht wahren können“, sagt Merz, den es im Herbst zum Studium nach München zieht. Sicher unvergessen werden ihm auch die vielen Kinder bleiben, die ihn morgens und abends wie das siebte Weltwunder bestaunten, wenn er mit seinem Fahrrad durch die Straßen von Mbinga fuhr, und riefen: „Mzungu“ – Weißer.
Aktuelles Lexikon: Weltwärts-Programm
Vier Männer und elf Frauen entsendet der Diözesanverband Würzburg des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) am Samstag, 6. August, im Rahmen des Freiwilligendienstprogramms „weltwärts“ für zwölf Monate nach Indien, Tansania, Bolivien, Kolumbien und Peru. In einem feierlichen Aussendegottesdienst spendet Weihbischof Ulrich Boom um 16 Uhr in der Jugendkirche im Kilianeum-Haus der Jugend in Würzburg den Freiwilligen den Reisesegen. Der aus öffentlichen Mitteln geförderte Freiwilligendienst „weltwärts“ wurde 2008 vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ins Leben gerufen. Das Bistum Würzburg griff die Initiative sofort auf. Junge Erwachsene bis 27 Jahre haben dabei die Möglichkeit, mehrere Monate im Ausland zu verbringen und in Lateinamerika, Afrika und Asien in sozialen und ökologischen Projekten mitzuarbeiten. „Lernen durch tatkräftiges Helfen“ lautet das Motto des Freiwilligendienstes. Fester Bestandteil des Lerndienstes sind die insgesamt 25 Bildungstage: zwölf Vorbereitungstage, acht Tage Zwischenseminar im Ausland sowie fünf Nachbereitungstage nach der Rückkehr. Im Bistum Würzburg kümmert sich Regina Roland unter dem Dach des BDKJ um die Reisewilligen. Im Rahmen des Weltwärts-Programms fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die Auslandsaufenthalte junger Menschen mit 580 Euro monatlich. Ein Teil der Mittel wird zur Finanzierung der Koordinierungsstelle eingesetzt, einen weiteren Teil erhalten die jungen Leute als Taschengeld während der Dauer ihres Aufenthalts. Um sich für das Weltwärts-Programm bewerben zu können, sollen die Bewerber zwischen 18 und 27 Jahre alt sein und über Abitur oder Fachhochschulreife, mindestens jedoch Hauptschul- oder Realschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung verfügen. Grundkenntnisse einer Sprache des Gastgeberlandes sind wünschenswert. Weitere Informationen bei: Regina Roland, BDKJ, Kilianeum-Haus der Jugend, Ottostraße 1, 97070 Würzburg, Telefon 0931/38663141, E-Mail regina.roland@bistum-wuerzburg.de.
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