Liebe Schwestern und Brüder, liebe Ehejubilare,
„Jetzt ist die Zeit der Gnade“ lautet unser diesjähriges Kiliani-Wallfahrtsmotto.
Jetzt ist die Zeit der Gnade können Sie in diesem Jahr und besonders heute voll Freude und Dankbarkeit sagen, denn Sie schauen auf gemeinsame 25, 40, 50, 60 und sogar 65 Ehejahre zurück.
Wahrscheinlich hing ‚der Himmel voller Geigen’ als Sie geheiratet haben. Mit Sicherheit ist dies nicht so geblieben. Die Herausforderungen des Alltags, die Krisen in der Gesellschaft wie in Ihrem persönlichen Leben haben ihre Spuren hinterlassen. Und gerade deswegen ist Ihr heutiges Kommen von besonderer Bedeutung, denn „jetzt ist die Zeit der Gnade“.
Wir wissen alle um die Probleme in den Ehen. Je mehr jedoch die Ehe in unserer Gesellschaft angefragt wird und allzu oft scheitert, umso mehr sind die Ehepaare gefragt, die uns eine geglückte Liebes- und Lebensbeziehung vorleben. Ich danke Ihnen allen für Ihr Zeugnis indem Sie heute in den Dom gekommen sind. Sie zeigen deutlich, dass die Ehe kein Auslaufmodell in unserer Gesellschaft ist, sondern im Gegenteil Grundlage eines prosperierenden Gemeinwohls ist. Ehe hat Zukunft!
Wirklich gelebte Liebe ist wie ein Frühlingserwachen im oft kalten Winter unserer Zeit. Sie, liebe Ehejubilare, machen beeindruckend deutlich, dass weder der Eheabschluss ein nur rein privates Geschehen ist, noch das Scheitern einer christlichen Ehe. Vielmehr lebt das Ehepaar, das durch die Gemeinschaft mit seinen Kindern eine Familie wird, eine christliche Berufung, die zu einem eindringlichen und beglückenden Zeichen der Liebe Gottes zu uns wird.
Nicht zufällig wirkte Christus sein erstes öffentliches Wunder auf der Hochzeitsfeier zu Kana. Und nicht zufällig vollendet sich unsere christliche Hoffnung auf den Himmel im Bild des himmlischen Hochzeitsmahles.
Auf der Hochzeit zu Kana tritt Maria als Fürsprecherin an Christus heran und macht ihn auf die prekäre Situation des Brautpaares aufmerksam: „Herr, sie haben keinen Wein mehr.“ (vgl. Joh 2,3) Jesus bittet die Diener, die zum Reinigen und zum Erfrischen bereit gehaltenen Krüge mit Wasser zu füllen. Das Wunder der Verwandlung in Wein geschieht unspektakulär und wird von der Hochzeitsgesellschaft nicht wahrgenommen. Der Speisemeister, der kostet und nicht begreift woher der Wein kommt, schilt die in seinen Augen schlechte Dramaturgie des Bräutigams. Die Diener aber, so heißt es ausdrücklich, wussten, woher der Wein kam.
Für mich wird dieses Wunder auf der Hochzeit zu Kana auch zu einer grundlegenden Regel der Liebesbeziehung zwischen Gott und uns und untereinander. Christus fordert uns auf, unsere Lebenskrüge mit unserem guten Wollen, der Offenheit für Gottes Willen, mit der Bereitschaft zur Mitarbeit zu füllen.
Unser Heiliger Vater, Papst Benedikt XVI., hat mit seinen jüngsten Enzykliken wie „Deus caritas est – Gott ist die Liebe“ und „Caritas in veritate – Liebe in Wahrheit“, die mit großer theologischer Schärfe und akribischer Präzision geschrieben sind, große Aufmerksamkeit gefunden.
Kaum ein Wort wird sooft ausgesprochen und besungen wie das Wort Liebe. Kaum ein Begriff ist aber auch so abgenutzt und missbraucht worden wie das Wort Liebe.
Zunächst entfaltete der Papst die Weite dieses Wortes in unserem Lebensumfeld als er von „Vaterlandsliebe, von Liebe zum Beruf, von Liebe unter Freunden, von der Liebe zur Arbeit, von der Liebe zwischen den Eltern und ihren Kindern, zwischen Geschwistern und Verwandten, von der Liebe zum Nächsten und von der Liebe zu Gott.“ sprach.
Dann aber präzisierte er: „In dieser ganzen Bedeutungsvielfalt erscheint aber doch die Liebe zwischen Mann und Frau, in der Leib und Seele untrennbar zusammenspielen und dem Menschen eine Verheißung des Glücks aufgeht, die unwiderstehlich scheint, als der Urtypus von Liebe schlechthin, neben dem auf den ersten Blick alle anderen Arten von Liebe verblassen.“
Bei der wirklichen Liebe geht es um die Entdeckung des anderen. „Liebe“ so der Heilige Vater „will nicht mehr sich selbst – das Versinken in der Trunkenheit des Glücks – , sie will das Gute für den Geliebten: Sie wird Verzicht, sie wird bereit zum Opfer, ja sie will es.“ Liebe greift auf dem Weg der inneren Reinigung nach Endgültigkeit und Ausschließlichkeit aus. Papst Benedikt weiter: „Liebe zielt auf Ewigkeit. Ja, Liebe ist ‚Ekstase’, aber Ekstase nicht im Sinn des rauschhaften Augenblicks, sondern als Ekstase als ständiger Weg aus dem in sich verschlossenen Ich zur Freigabe des Ich, zur Hingabe und so gerade zur Selbstfindung, ja, zur Findung Gottes.“ (Ebd. 6)
So, liebe Ehepaare, liebe Schwestern und Brüder, führt die Erfahrung der echten Liebe zu Gott. Wir dürfen Gott als den Dreifaltigen Einen, als den Liebesaustausch in sich begreifen. Wir dürfen auf Gott schauen, der sich aus Liebe zu uns Menschen in die eigene Schöpfung begeben hat, in Jesus Christus Fleisch angenommen hat und sich aus Liebe zu uns bis zum Tod am Kreuz aufgeopfert hat.
Von daher ist es auch wichtig, dies Ihren Kindern und Enkeln, Ihren Nachbarn und Freunden zu vermitteln.
Vor wenigen Wochen erreichte mich der Brief eines Ehepaares, das Goldene Hochzeit gefeiert hatte. Darin konnte ich lesen: „Seit unserer Heirat begrüßen wir uns jeden Morgen, indem wir uns gegenseitig ein Kreuz auf die Stirn zeichnen. Das gleiche wiederholen wir vor dem Schlafengehen. Damit siegeln wir stets erneut unsere gegenseitige Verbundenheit und Liebe.“
Ihr Ehejubiläum, liebe Eheleute, ist sozusagen der für uns sichtbare Katalysator der Liebe Gottes zu uns. Von daher ist auch die sakramentale Ehe in das große Liebeswerben Gottes um die Menschheit eingebunden und wird im heutigen Festtag in Ihrem auf Dauer und Ausschließlichkeit angelegten Liebeszeugnis für uns alle zu einem Bekenntnis an die Liebe Gottes.
Auf ihn können wir wahrhaft vertrauen. Er ist getreu und wird unsere Liebe einst in der Ewigkeit vollenden. Amen.