Liebe Soldatinnen und Soldaten, liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder im Herrn,
Papst Paul VI. hat den jährlich im Januar gefeierten Weltfriedenstag eingeführt. Seit 1968 begehen die katholische Militärseelsorge und die Dienststellen der Bundeswehr den Weltfriedenstag mit einem feierlichen Gottesdienst. Leider können wir dies heuer nicht im Würzburger Dom tun, weil diese Kathedrale zurzeit renoviert wird. Es ist aber schön, dieses Pontifikalamt in der Pfarrkirche von Hammelburg zu feiern, da hier sowie in den weiteren unterfränkischen Standorten Roth, Wildflecken, Volkach, Veitshöchheim und (nehmen wir noch Walldürn hinzu) zirka 600 Soldaten stationiert sind.
Der diesjährige Weltjugendtag steht unter dem Leitwort: Die Jugend muss lernen, Gerechtigkeit und Frieden zu stiften.
In der Tat, liebe Schwestern und Brüder, der Blick in die weltweiten Krisengebiete zeigt uns, wie gefährdet der Friede landauf landab ist. Gerade Sie als Soldatinnen und Soldaten, die sich im Friedensdienst bei uns und in anderen Ländern einbringen, wissen um die besondere Belastung, die sich daraus ergibt. Neben den großen psychischen Herausforderungen stehen die körperlichen Anstrengungen, neben der Sorge um die Familien in der Heimat steht die Angst um das eigene gefährdete Leben.
Die Jugend muss lernen, Gerechtigkeit und Frieden zu stiften – dieses Leitwort ist mehr als ein Impuls. Es ist die Erkenntnis, dass Gerechtigkeit und Friede Werte sind, die auf Zukunft hin erst ein lebenswertes Leben ermöglichen.
Die Begründung von der Sinnhaftigkeit moralischen Handelns finden wir nicht innerhalb ökonomischen und wirtschaftlichen Denkens. Sie liegt außerhalb profitorientierter Strukturen, ja sogar außerhalb menschlicher Verfügungsmasse. So sehr die Politik auf ethische Grundlagen angewiesen ist, so wenig kann sie sie selbst hervorbringen. Ethische Grundlagen, sprich der Wertekanon, wird dem Menschen vorgegeben und nicht von ihm selbst gemacht. Dafür steht die Kirche ein.
Die Frage nach den Werten scheint heute eine Renaissance zu erleben. Gerade junge Menschen fragen erneut nach den Werten und ihrer Begründbarkeit, weil sie erleben, wie das Wegbrechen von Werten – und dazu gehören erst recht Gerechtigkeit und Frieden – ein erfülltes Leben unmöglich machen. In der Suche nach zuverlässigen Grundlagen, auf denen sich das eigene Leben und das der Gesellschaft sinnvoll aufbauen lassen, werden Fragen nach einem verbindlichen Wertebestand gestellt. So heißt es unter anderem: Wie kann ein Friede gefunden werden angesichts der vielen wachsenden Kriegsverbrechen, angesichts der Kriminalität, der Fremdenfeindlichkeit, der Korruption und einer spürbar wachsenden Armut – auch in unserem Land.
In dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess verwiesen die Richter in ihrer Begründung „auf das natürliche Gerechtigkeitsempfinden, das im Gewissen einen jeden Menschen seinen Widerhall findet und den Unrechtscharakter der begangenen Verbrechen zweifelsfrei bezeugt.“ (Schockenhoff, E.: Die ethischen Grundlagen des Rechts. In: Kirche und Gesellschaft, 4) Wir sprechen von einem Naturrecht, das nach Äußerungen von Professor Schockenhoff „die unerlässliche Basis einer internationalen Menschenrechtspolitik (ist), aber es ersetzt nicht die religiösen Sinnentwürfe der Weltreligionen und die hochethischen Traditionen der Menschheit.“(Ebd. 8)
An erste Stelle sind wohl die zehn Gebote zu nennen, die auf dem Berg Sinai Gott dem Moses gegeben hat. Sie umfassen die einzigartige Alleinstellung Gottes, die Sabbatheiligung (und damit das Sonntagsgebot), die Elternliebe und das Tötungsverbot, den Schutz der Ehe und Familie, die Akzeptanz des Eigentums und der Wahrheitspflicht. Zu diesen zehn Geboten kommt das uns in den Evangelien übermittelte christliche Menschenbild: Jeder Mensch hat seine Würde in der Gottebenbildlichkeit. Er ist einmalig, unwiederholbar und in seiner Würde unantastbar. Im Nächsten begegne ich Christus. Mann und Frau sind gleichwertig.
Ausgefächert werden diese Grundlagen in vielen Äußerungen der Kirche, die deutlich in der Soziallehre der Kirche festgehalten sind. So tritt beispielsweise die Enzyklika Pacem in terris (Friede auf Erden) nachhaltig für die Grundwerte wie: Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe ein.
Dies muss in der Tat die Jugend lernen. Sie findet sich in einer Gesellschaft vor, die in Gefahr steht, Wertvorstellungen nach eigenem Gutdünken bilden oder verändern zu wollen. Gerade weil man heute versucht ‚Werte’ aus der Rationalität und Logik herzuleiten und einen geradezu an Naivität grenzenden Glauben an die Neutralität und den Segen der Wissenschaft pflegt, ist es wesentlich zu begreifen, dass wissenschaftliche Vernunft keine ethischen oder sozialen Werte schaffen kann. „Der Frage der Naturwissenschaften ‚was ist der Mensch’ stellen die Geisteswissenschaften die Frage gegenüber ’wer ist der Mensch’.“(Ebd. 8) Die uns im jüdisch/christlichen Glauben vorgegebenen und erprobten Werte sind Grundlagen, auf denen die Menschheit eine tragfähige gemeinsame Zukunft gestalten kann, in der Frieden und Gerechtigkeit eine Wertefundament bilden, das jenseits diktatorischer und auch demokratisch veränderbarer Rechtsgrundlagen der Verfügbarkeit menschlichen Zugriffs entzogen ist und damit beständig ist.
Die beiden heutigen Tagesheiligen, Timotheus und Titus, waren zwei jugendliche Schüler des heiligen Paulus, denen er mehrere aufschlussreiche Briefe gewidmet hat. Er beschwört sie geradezu, die Grundlagen des christlichen Glaubens und die wahre Rolle des Gesetzes, richtig zu verstehen. Eindringlich richtet er die Bitte an Timotheus: „Strebe unermüdlich nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben zu dem du berufen worden bist und für das du vor vielen Zeugen das gute Bekenntnis abgelegt hast.“ (1 Tim 6,11f.)
Im heutigen Tagesevangelium werden wir aufgefordert, aktiv unseren Glauben und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in die Gesellschaft einzubringen. Die Botschaft Jesu, die Gerechtigkeit und Frieden ermöglicht, ruft dazu, gehört und weitergegeben zu werden. So wie man eine Kerze auf den Leuchter stellt und nicht unter einem verschlossenen Gefäß verbirgt, so sollen wir die Frohe Botschaft hören, beherzigen und weitertragen.
Liebe Soldatinnen und Soldaten, liebe Schwestern und Brüder, auch an dieser Stelle möchte ich Ihnen von Herzen Dank sagen für Ihren Dienst an unserer Gesellschaft. Sie erleben die einschneidenden Veränderungen auch im familiären Umfeld und in den internationalen Einsätzen. Möge unser christlicher Glaube und das gemeinsame Gebet prägende Kraft besitzen, Ihnen bei Ihrem Einsatz für Gerechtigkeit und Friede beizustehen.