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Der schlummernde Riese Afrika

Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck spricht in der Katholischen Hochschulgemeinde über Probleme und Chancen des Schwarzen Kontinents

Würzburg (POW) Wenn ein alter, erfahrener Mann mit langem weißen Bart heutzutage anfängt, etwas zu erzählen, geht es meistens um den Krieg oder andere Erinnerungen, die ein halbes Jahrhundert zurückliegen. Bei Rupert Neudeck (71) ist erfahrungsgemäß das Gegenteil der Fall. Das wussten auch seine vornehmlich studentischen Zuhörer in der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Würzburg. Interessiert verfolgten sie seinen Vortrag zum Thema „Die Kraft Afrikas – Warum der Kontinent nicht verloren ist.“ Der Journalist und Menschenrechtsaktivist sprach kritisch über aktuelle Eindrücke und Entwicklungen in Afrika und suchte anschließend das Gespräch mit den zahlreich erschienenen Gästen.

Vor wenigen Tagen aus dem Kongo zurückgekehrt, konfrontierte er die Zuhörer mit seinen jüngsten Erfahrungen und Beobachtungen. Angesichts der Nachrichtenlage überrascht es nicht, wenn ein Zeitzeuge mit negativen Neuigkeiten aufwartet. Diese seien keinesfalls zu verdrängen. Neudeck betonte aber: „Ich komme auch mit Geschichten, die Hoffnung machen.“ Unter diese Prämisse stellte er auch seine Ausführungen an diesem Abend. Es sei falsch anzunehmen, dass Afrika sich nicht verändere, auch wenn die Medien dieses Bild immer wieder bemühten. „Afrika besteht nicht nur aus Krisen, Kriegen und Katastrophen, wie es häufig berichtet wird.“ Es sei ein Kontinent in Bewegung von dem viele nicht wüssten, welche Kräfte und Potenziale in ihm schlummerten.

Für diese These führte der seit über 30 Jahren bekannte Gründer von „Cap Anamur“, der sich in allen Krisengebieten der Erde engagiert, einige Beispiele an. Diese zeigten, was sich in Afrika heute schon bewegt und wie sich diese Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten ausdehnen wird. Die Mobilität nehme stetig zu, was sich zum Beispiel an der Entwicklung der Luftfahrtgesellschaften zeige. Auch der Handyboom hat den Kontinent längst erreicht. „Hier werden sogar große Gewinne erzielt. Die Afrikaner überspringen das Festnetztelefon.“ Damit wies Rupert Neudeck auf erste Anzeichen hin, die belegen, wie schrittweise eine wirtschaftliche Entwicklung zu erkennen ist.

Natürlich habe Afrika noch immer einen gewaltigen Nachholbedarf, der nicht allein den Folgen der Kolonialherrschaft geschuldet ist. Auch die jetzigen politischen Verhältnisse trügen deutlich dazu bei, dass viele Chancen nicht genutzt werden und die Lage der Bevölkerungen miserabel ist. Gleichzeitig warnte Neudeck davor, europäische Vorstellungen unreflektiert auf Afrika übertragen zu wollen. Demokratie sei natürlich die anzustrebende Staatsform, aber in der afrikanischen Realität oft nur in pervertierter Form umsetzbar. Das hänge unter anderem mit den Strukturen der Korruption zusammen und damit, dass Parteien oft nicht Volks-, sondern Stammesinteressen vertreten. „Will man Afrika wirklich helfen und verstehen, darf man nicht von der eigenen, westlichen Lebenskultur ausgehen.“

Ein Schwerpunkt seines Vortrags befasste sich mit dem Problem der Migration. Natürlich sei dies eine schwierige Aufgabe. Darauf jedoch vorwiegend mit dem Einsatz von Militär zu reagieren, ist Neudecks Ansicht nach keine Lösung und würde das Problem verlagern und verschärfen. Seiner Einschätzung nach wird die Migrationswelle weiter anschwellen. Es sei absehbar, dass Europa diese Entwicklung nicht mehr lange verdrängen könne.

Sehr umstritten sei das immer stärker werdende chinesische Engagement auf dem afrikanischen Kontinent. Hier fallen immer die Stichworte der Ausbeutung von Rohstoffen ohne wirklichen Profit für die afrikanische Wirtschaft und die Missachtung der Menschenrechte. Überraschenderweise nahm Neudeck dazu eine differenzierte Position ein. Tatsache sei, dass China in zehn Jahren mehr für die Wirtschaft getan habe als Europa in 50 Jahren. Er hob hervor, dass sich chinesische Investoren als pragmatischer erwiesen. Ihre Gelder würden zudem direkt an Firmen gegeben und versickerten nicht in Regierungsapparaten. Auch wenn er kritische Anmerkungen zur chinesischen Wirtschaftspolitik machte, wies Neudeck daraufhin, sich konstruktiv damit auseinanderzusetzen und auch die positiven Effekte anzuerkennen.

Irgendetwas müsse schief gegangen sein, wenn seit Jahrzehnten große Gelder über Entwicklungspolitik nach Afrika fließen und der Effekt vergleichsweise gering ist. „Das Geld wird mit der großen Gießkanne über alle Länder verteilt“, kritisierte Neudeck. Es komme damit nicht gezielt den Menschen zugute. Seiner Meinung nach müssten finanzstarke Staaten sich zusammen tun und gemeinsam Patenschaften für einzelne afrikanische Länder übernehmen. Nur so ließe sich flächendeckend Verkehrs- und Energieinfrastruktur aufbauen: „Das Schicksal des Kontinents liegt in der Wirtschaft.“ Neudecks Positionen vor allem zum Thema der Rolle Chinas und seine Kritik am ineffektiven Einsatz von UN-Blauhelmen lösten in der anschließenden Fragerunde eine lebhafte Debatte aus. Einig war man sich aber in der Einschätzung, Afrika sei ein schlummernder Riese, dessen Zeit kommen werde. Das jedoch lasse sich nicht allein durch die Menge des eingesetzten Geldes beschleunigen, sondern vor allem durch konkretes Engagement und überzeugende Konzepte.

(4510/1399; E-Mail voraus)

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