Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Christkindfiguren werden ausgesandt

Pfarrvikar Thomas Vadakkemuriyil aus Michelau im Steigerwald erzählt von Weihnachten in Indien

Michelau im Steigerwald/Würzburg (POW) Andere Länder, andere Sitten. In der Interviewserie „Weihnachten in aller Welt“ erzählen im Bistum Würzburg tätige ausländische Seelsorger von Weihnachten und den damit verbundenen Bräuchen in ihrer ursprünglichen Heimat. Über Indien spricht im folgenden Interview Pfarrvikar Thomas Vadakkemuriyil (48) aus Michelau im Steigerwald, Pfarrvikar in der Pfarreiengemeinschaft Kirche am Zabelstein im Landkreis Schweinfurt.

POW: Wie sieht der typische Heilige Abend in Ihrer indischen Heimat aus?

Pfarrvikar Thomas Vadakkemuriyil: Vorneweg möchte ich darauf hinweisen, dass Indien ein laizistischer Nationalstaat ist, in dem Anhänger vieler unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften leben. Christen stellen nur 3,2 Prozent der Bevölkerung. Weihnachten wird allerdings nicht nur von Christen, sondern ebenso von Menschen anderer Religionen gefeiert. Weihnachten ist das größte und beliebteste Fest der indischen Christen. Indien ist ein großes Land und die Unterschiede zwischen Süd- und Nordindien sind kulturell und sprachlich groß. Deswegen unterscheidet sich die Weihnachtsfeier auch von Region zu Region.

Der Heilige Abend selbst beginnt in meiner südindischen Heimat im Bundesstaat Kerala mit einem kulturellen Programm an der Kirche: Tänze, Weihnachtsspiele und Lieder werden vorgetragen. Hierzu werden auch wichtige Persönlichkeiten des Ortes und alle Einwohner, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, eingeladen. Um Mitternacht beginnt die Christmette mit einem besonderen Ritual vor der Krippe. So wird die Gemeinde zur Geburt Christi hingeführt. Am Ende dieses Rituals kommt die ganze Gemeinde, einer nach dem anderen, vor die Krippe, verehrt das Jesuskind und legt eine persönliche Gabe nieder. Das können Kleidung, Lebensmittel oder Süßigkeiten sein. Diese Gaben werden für verschiedene Sozialeinrichtungen wie Kinder- und Altenheime gesammelt. Der Festgottesdienst dauert mindestens zwei Stunden. Am ersten Weihnachtsfeiertag versammelt sich die ganze Familie zu einem Festessen. An diesem Tag besucht man auch Verwandte, Nachbarn, Freunde, wobei es keine Grenzen zwischen den Religionen gibt. Man drückt seine Freude durch gegenseitige Geschenke aus. Am Abend des 25. Dezember treffen sich alle Vertreter der verschiedenen Familien-Gruppen, meist sind das etwa 15 bis 20 Familien, in der Kirche. Dann segnet der Pfarrer die Jesuskind-Figuren und sendet die einzelnen Gruppen in alle Familien des Ortes aus. Sie singen verschiedene Weihnachtslieder auf der Straße und bei jeder Familie zuhause. Dieser Umzug dauert bis zum nächsten Morgen. Damit endet das Weihnachtsfest.

POW: Wie sehen der Weihnachtsbaum und die Krippe aus? Und welche besonderen Lieder gehören zu einer typischen Weihnachtsfeier?

Vadakkemuriyil: In vielen Gemeinden versammeln sich die Jugendlichen wenige Tage vor Weihnachten, schmücken einen Wagen mit einem Christbaum, einer Krippe mit lebenden Figuren, Sternen und bunten Lichtern und fahren am Abend in die Nachbarorte. Dort singen die Jugendlichen typische indische Weihnachtslieder, und Mädchengruppen führen auf der Straße Tänze auf. Dabei verteilen die Jugendlichen an die versammelte Gemeinde Weihnachtssprüche und Süßigkeiten. Die meisten Gemeinden bauen am Weihnachtsfest eine große Krippe vor der Kirche auf. Das ist Aufgabe der Jugend, die jedes Jahr neue Ideen einbringt. Der Christbaum gehört in der Regel nicht zum indischen Weihnachtsfest. Bei uns gibt es keinen Tannenbaum wie hier, sondern grüne Zweige aus dem Garten, wie etwa vom Mango- oder Litschibaum. Die meisten Familien stellen allerdings in ihrem Haus eine Krippe auf. In der Zeit vor Weihnachten schmücken die Menschen ihre Häuser mit leuchtenden Sternen, als ein Zeichen für das kommende Weihnachtsfest.

POW: Wer bringt bei Ihnen die Geschenke?

Vadakkemuriyil: Man überreicht sich in meiner Heimat zwar auch Weihnachtsgeschenke, aber es sind nicht die großen Überraschungen, wie man sie in Deutschland hat. Wichtig sind an Weihnachten Wünsche und Gebete füreinander. Nach dem Festgottesdienst treffen wir uns meistens im Pfarrhof mit dem Pfarrer und Ordensschwestern und unterhalten uns bei Weihnachtskuchen, Kaffee und Tee.

POW: Welche Anregungen für Weihnachten haben Sie in Deutschland schätzen gelernt?

Vadakkemuriyil: Ich bin persönlich beeindruckt von der vorweihnachtlichen Atmosphäre, die in den deutschen Städten durch Weihnachtskerzen, Christbäume, Weihnachtsmärkte und Lichterschmuck geschaffen wird. Wir haben in Indien zum Beispiel durch Weihnachtslieder viel über die Kultur und auch das Winterwetter in Europa gehört. Nun erlebe ich selbst die Kälte und den Schnee in der Weihnachtsnacht, also ein Bild, das ich bisher nur aus Weihnachtsliedern kannte. Ich finde auch sehr schön, wie in deutschen Familien unter dem Christbaum Geschenke verteilt werden.

POW: Was können die Deutschen von Ihrer Art, Weihnachten zu feiern, lernen?

Vadakkemuriyil: In Kerala beginnt die Vorbereitung für die Weihnachtszeit lange vor dem Heiligen Abend, und zwar am 1. Dezember. Diese Vorbereitungszeit widmet sich vor allem religiösen und spirituellen Inhalten. So erhalten alle Familien einer Pfarrgemeinde eine Liste mit sogenannten „Tugenden“, das heißt mit der Aufforderung, an jedem Tag bis Weihnachten eine gute Tat zu leisten. Das kann der Besuch bei Kranken, eine Hilfeleistung für Arme, ein Gespräch mit Alten und Einsamen sei. Oder, dass man an einem Tag persönlichen Ärger vermeidet, sich mit einem Menschen versöhnt, mit dem man Streit hat. Die meisten Gläubigen fasten in diesen 24 Tagen, indem sie auf Fleisch und Fisch verzichten und mitunter sogar auf Milch und Zucker. Zu Beginn des Advents treffen sich die Gruppen in einer Gemeinde, also Jugendgruppen, Pfarrgemeinderat, Ministranten, Frauenbund und so weiter, und teilen an jedes Mitglied einen Zettel mit einem Namen aus. Für den Namensträger betet das betroffene Mitglied insgeheim während der Zeit bis Weihnachten. Nach dem Weihnachts-Gottesdienst treffen sich die Gruppen und jeder beschenkt denjenigen, der für ihn gebetet hat. An diesem Tag erhalten auch die Kinder, die regelmäßig in der Vorweihnachtszeit zur Kirche kamen, von der Gemeinde ein kleines Geschenk. Etwa 80 Prozent der Kinder kommen regelmäßig in den Gottesdienst der Vorweihnachtszeit. Wichtig ist der sogenannte „Versöhnungstag“ zwischen 20.und 24. Dezember. An diesem Tag sind alle Gemeindemitglieder zur Beichte eingeladen, um sich innerlich auf die Geburt Jesu vorzubereiten. Dieser Einladung folgen in der Regel über 90 Prozent der Gläubigen.

POW: Was vermissen Sie in Deutschland an Weihnachten am meisten?

Vadakkemuriyil: Ich vermisse in Deutschland die spirituelle Vorbereitung und den religiösen Gehalt des Weihnachtsfestes. Die Adventszeit ist doch eine Zeit der Erwartung und Vorbereitung auf die Ankunft des Herrn, geht aber im Trubel der zahlreichen Termine und Veranstaltungen – auch im kirchlichen Raum – fast unter. Wir alle denken mehr an Geschenke und Einkaufen als an den tieferen Sinn des Weihnachtsfestes. Vor allem Kinder werden Opfer diese Entwicklung. Ich denke, die Kirche sollte diese Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes nicht auch noch fördern, sondern vielmehr zur inneren Ruhe und Vorbereitung der Menschen auf das Ereignis der Geburt Christi beitragen.

Zur Person:

Thomas Vadakkemuriyil wurde 1962 in Peravoor in Indien geboren. Am 26. Dezember 1989 wurde er dort zum Priester geweiht. Im Jahr 2001 kam er ins Bistum Würzburg und war zunächst in den Pfarreien Euerdorf, Aura, Ramsthal und Sulzthal tätig. 2004 wechselte er als Kaplan nach Volkach. 2005 wurde er Pfarradministrator von Dingolshausen und Kuratus von Michelau im Steigerwald, 2009 dann Pfarrvikar in der Pfarreiengemeinschaft Kirche am Zabelstein.

(5010/1583; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet