Würzburg (POW) Bischof Manuel Eguiguren Galarraga findet aussagekräftige Bilder, wenn er die aktuelle Situation in seinem Land beschreibt: „Ein Vulkan ist ausgebrochen, die Bombe ist explodiert!“ Damit meint er keineswegs eine Naturkatastrophe oder ein Attentat. Der Weihbischof des Vikariats Beni im bolivianischen Tiefland und Träger des bolivianischen Menschenrechtspreises spricht vielmehr von der jüngsten Wahl in seinem Land, die dem bolivianischen Indio-Führer Morales die Präsidentschaft brachte. Der aus dem Baskenland stammende Franziskaner Eguiguren ist derzeit Gast der Fastenaktion des katholischen Hilfswerks Misereor. Seine Reise durch Deutschland führte ihn auch ins Bistum Würzburg.
Eguiguren freut sich sehr über das Wahlergebnis. Morales werde das Land nie so schlecht wie die Vorgängerregierung lenken, ist er überzeugt. „In Bolivien beginnt eine neue Epoche.“ 65 Prozent der Einwohner des südamerikanischen Lands sind Indigene. Bis vor kurzem hatten sie weder Stimme noch Wahlrecht und waren in Parlament und Regierung nicht vertreten. Heute stellen sie nicht nur den Präsidenten, sondern bilden auch die Mehrheit im Parlament. Lange hätten die indigenen Völker Korruption und Machtmissbrauch einer kleinen Gruppe geduldet, doch jetzt sei der „schlafende Riese“ erwacht, schildert der als Indianerbischof bekannte Eguiguren die Situation. „Die Politiker wollten immer reicher werden. Korruption und Missbrauch waren zu groß. Das Volk wollte die Ausbeutung durch eine kleine Minderheit nicht mehr tragen.“
Bolivien steht nach den Worten des Bischofs vor dem entscheidenden Jahr. Große Hoffnung setzt er in die Verfassung, die ab August ein Jahr lang erarbeitet werden soll. Mit der Verfassung sollen dann die Vorgaben gegeben sein, um Reformen durchführen zu können. Der neue Präsident wolle, dass es im Land keine Ausgestoßenen mehr gebe – auch nicht unter denen, die bisher das Volk erniedrigt hätten. Das ganze Volk solle vereint werden. Das Land werde neu aufgeteilt, das Problem Armut müsse langfristig gelöst werden. Wasser und Bodenschätze müssten künftig für alle nutzbar sein, fordert der Bischof. Momentan lebe die Hälfte der Menschen in Bolivien ohne Wasser und Strom. Vielerorts fehlten Straßen und Transportwege.
Dass der Regierungswechsel und die aktuelle Entwicklung Boliviens Länder wie Peru, Ecuador, Mexiko oder Guatemala anstecken werden, davon ist Eguiguren überzeugt. „Die Reformen in Bolivien geben allen Indigenen und Bauern Südamerikas Hoffnung.“ Kritik übt der Bischof an den USA. Ihnen gefalle nicht, dass die Länder Südamerikas die Unabhängigkeit von den USA suchten und eine eigene wirtschaftliche Union ins Auge fassten. „Die USA haben kein Interesse an einer wirtschaftlichen Union Südamerikas. Als einzelne Staaten sind die Länder besser zu beeinflussen. Gemeinsam bilden sie eine große Gefahr für die Wirtschaftsinteressen der USA.“ Da die katholische Kirche in Lateinamerika eine große Rolle spiele und sie die Kritik an den USA unterstützt habe, schickten die Nordamerikaner gezielt Sekten in den Süden, „um die Leute ruhig zu stellen und auf eine andere Welt zu vertrösten“.
Mahnende Worte richtet Eguiguren aber auch an die Adresse Europas. Die wirtschaftlichen Beziehungen sollten gerecht und menschlich sein. Freier Handel heiße, dass es keine Subventionen geben dürfen – beispielsweise in der Landwirtschaft. „Wenn sich hier nichts ändert, werden die Lateinamerikaner vor Hunger irgendwann Europa überfluten“, mahnt der Bischof. Die Europäer wollten in Frieden leben, während der Rest der Welt verhungern könne. Große Hoffnung setzt der Bischof auf Deutschland, da hier das Solidaritätsbewusstsein innerhalb Europas am größten sei. „Deutschland kann ein Beispiel geben, weil es eine bedeutende Rolle innerhalb der EU spielt.“
Mit Blick auf die Kirche sagte der Bischof, dass diese mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil aufgewacht sei und sich für die Armen einsetze. Seither habe es viele Märtyrer gegeben. Doch – und davon ist der Bischof überzeugt – wenn die Kirche die Option für die Armen zum Maßstab nehme, müsse sie leiden. Künftig hält es Eguiguren für besonders wichtig, dass die Menschen in Politik und Bürgerrechten ausgebildet werden. Hierin liege eine wichtige Aufgabe der Kirche. Die Menschen müssten lernen, verantwortlich zu leben und zu arbeiten. Sie müssten merken, dass es nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gebe. „In Familie, Kommune und Gewerkschaft müssen sie lernen, die Demokratie jeden Tag zu leben – und nicht nur am Wahltag!“
Unglaublich große Unterstützung kommt laut Eguiguren vom Hilfswerk Misereor der deutschen Katholiken. Misereor unterstütze sehr viele Projekte in Bolivien – von der Rechtshilfe bis hin zur Landsicherung. Große Veränderungen habe es mit Hilfe Misereors beispielsweise im Gesundheitswesen gegeben. In 80 Gemeinden seines Vikariats erhielt die indigene Bevölkerung mit Unterstützung des Hilfswerks das Landrecht. „Misereor hilft vor allem den Menschen am Rande der Gesellschaft, dort, wo die anderen Nichtregierungsorganisation nicht hinkommen. Die Hilfe aus Deutschland kommt in Bolivien an. Die Armen profitieren davon“, versichert der Indianerbischof.
Wer die Projekte von Bischof Eguiguren direkt unterstützen möchte, kann dies bei: Pax-Bank Aachen, Hilfswerk Misereor, Kontonummer 1007000010, Bankleitzahl 37060193, Vermerk: „GR 2006 – Eguiguren – Kreis“.
bs (POW)
(1306/0495)