Liebe Schwestern und Brüder,
es fügt sich gut, dass Ihre Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes am Fest des heiligen Lukas stattfindet.
Lukas gilt nicht nur als Verfasser des dritten Evangeliums und der Apostelgeschichte, sondern er war der Überlieferung nach als Arzt – und ich vermute auch als Künstler – in Antiochien in Syrien tätig. Gerade weil er vor allem die Barmherzigkeit Gottes betont und die Liebe Jesu zu den Armen und Sündern herausstellt, ist er ein guter Anwalt Ihres Bemühens.
Seine tiefe spirituelle Verankerung ließ ihn nicht nur medizinisch praktisch wirken, sondern ließ ihn auch ungewöhnliche Worte über das Gebet und den Heiligen Geist finden.
Christliches Engagement kann nur da wirklich gelingen, wo die Einwurzelung in die Person Jesu Christi lebendig ist.
Unser Heiliger Vater hat bei seinem jüngsten Besuch in unserem Land dem Rat des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gesagt: „Die eigentliche Krise der Kirche in der westlichen Welt ist eine Krise des Glaubens. Wenn wir nicht zu einer wirklichen Erneuerung des Glaubens finden, wird alle strukturelle Reform wirkungslos bleiben.“ Und er fragte dann: „Wie steht es mit unserer persönlichen Gottesbeziehung im Gebet, in der sonntäglichen Messfeier, in der Vertiefung des Glaubens durch die Betrachtung der Heiligen Schrift und das Studium des Katechismus der Katholischen Kirche?“ – Fragen, die er letztlich auch an uns alle richtet.
Wir wissen, dass die über Generationen hinweg vertrauten gesellschaftlichen, kulturellen und auch sozialen Übereinkünfte, Konventionen fundamental verändern. Ebenso werden in unseren Tagen die religiösen und kirchlichen Gewohnheiten und Strukturen, ja, wird der christliche Glaube selbst hinterfragt.
Die Kirche muss ihre Glaubensbotschaft unter veränderten Lebensbedingungen der Menschen unverkürzt verkünden. Um glaubwürdig zu sein, kommt es dabei auf Wort und Tat an.
In „Berufen zur caritas“ betonen die deutschen Bischöfe in Anlehnung an die Enzyklika „Deus caritas est“ deshalb: „Ähnlich wie das Hören auf Gottes Wort und die Feier der Sakramente ist auch die Nächstenliebe ein Ort der Gottesbegegnung.“
Deshalb sind die vielen karitativen Werke der Kirche, die in unseren Gemeinden praktiziert werden und ebenso in der verbandlichen Caritas wie auch in den vielen kirchlichen Sozialverbänden, ein wichtiges Zeugnis der Menschenfreundlichkeit und Barmherzigkeit Gottes.
Durch den Dienst am Menschen dienen wir Gott und verkünden seine Liebe. Das ist der entscheidende Mehrwert von Caritas, dass Gottes Liebe durch unser Tun erfahrbar wird. Diesen hohen Anspruch stellen die deutschen Bischöfe heraus. Sie schreiben im Blick auf die im karitativen Bereich Tätigen: „Vom Nichtchristen unterscheiden sie sich nicht in der Professionalität ihres Handelns…vielmehr, ob und wie echt sie ihren Glauben leben … und sich vom Geist Jesu nach und nach so verändern lassen, dass sich dies in ihrer Haltung, ihrer Begegnung und ihrem Verhalten im Bezug auf die Mitmenschen – besonders die Armen und Bedrängten aller Art – erweist.“
Nichts anderes hat der Heilige Vater in seiner Ansprache im Freiburger Konzertsaal gesagt: „Die Kirche findet ihren Sinn ausschließlich darin, Werkzeug der Erlösung zu sein, die Welt mit dem Wort Gottes zu durchdringen und die Welt in die Einheit der Liebe mit Gott zu verwandeln. Um ihren eigentlichen Auftrag zu erfüllen, muss die Kirche immer wieder die Anstrengung unternehmen, sich von der Weltlichkeit der Welt zu lösen. Es geht hier nicht darum, eine neue Taktik zu finden, um der Kirche wieder Geltung zu verschaffen. Vielmehr gilt es, jede bloße Taktik abzulegen und nach der totalen Redlichkeit zu suchen.“
Das Wort von der Entweltlichung geistert zurzeit wie eine dunkle Wolke über den Köpfen vieler Christen. So, als ob der Papst uns aufgefordert hätte, uns aus der Welt zurück zu ziehen. Das Gegenteil ist der Fall: Wir sollen aktiv in der Welt leben und arbeiten, uns aber nicht den weltlichen Zeitströmungen ein- oder gar unterordnen.
Wir hörten eben im Evangelium (Lk 10,1-9) von der Aussendung der zweiundsiebzig Jünger. Dies geschah nach der Tätigkeit Jesu in Galiläa auf dem Weg nach Jerusalem. Im Blick ist die Ernte, die in der Sprache der Bibel auf das endzeitliche Gericht Gottes über die Völker verweist. Bei der Zahl 70 spielt wohl die damalige Vorstellung eine Rolle, dass es in der Welt 70 nichtjüdische Völker gebe (vgl. Gen 10). Jesus macht deutlich, dass seine Sendung allen Völkern zuteil werden soll. „ (Er) … gibt genaue Anweisungen über die Ausrüstung der Missionare und ihr Verhalten in den Häusern und Ortschaften. Eine doppelte Tätigkeit wird den Jüngern aufgetragen: die Tat und das Wort (Wunder und Verkündigung). Beide sind Fortsetzung der Tätigkeit Jesu selbst, Zeichen, die nicht übersehen werden können.“ (Schott 2, 1475)
Auch im karitativen Bereich ist die Verwurzelung in Jesus Christus, die Arbeit in seinem Auftrag und seiner Sendung unumgänglich. In all den vielen Veränderungen unserer Zeit in Gesellschaft und Kirche kommt es deshalb auf unser glaubwürdiges Zeugnis in Wort und Tat an.
Der Evangelist Lukas, der auch Evangelist der Armen genannt wird, macht in seinen Berichten über das Leben und Wirken Jesu deutlich, dass Nächstenliebe nicht etwas von außen Aufgegebenes, sozusagen ein Zubrot ist, das uns Christen gut ansteht, sondern die Konsequenz, die Folge unseres Glaubens an den menschgewordenen Gott.
Für unser Tun ist also die Verbindung zum Herrn des Lebens entscheidend wichtig.
„Die Eucharistie will eine Quelle der Kraft und der Erneuerung für unsere Liebesfähigkeit sein … Sie befähigt die Kirche Tag für Tag zu ihrer Sendung.“ Deshalb dürfen wir voll Freude und Dankbarkeit jetzt Eucharistie feiern. ER ist der Ausgangspunkt für unseren Einsatz – bei der Delegiertenversammlung in diesen Tagen, in unseren Verantwortungsbereichen in allen Teilen unseres Landes und in den vielen einzelnen Diensten, mit denen wir die Menschen auf ihrem weg durchs Leben begleiten.
Lassen wir uns von ihm her ermutigen und in unserem Bemühen segnen.
Amen.