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Ästhetik mit kritischem Inhalt

Museum am Dom zeigt in der Ausstellung „Jahrhundertschritt. Zeichnungen aus der Sammlung Mathar“ grafische Arbeiten des ostdeutschen Künstlers Wolfgang Mattheuer – Zwischengeschoss als intimer Rahmen

Würzburg (POW) Am Horizont steht Adam, als Schattenriss. Am unteren Bildrand steht ein Tisch, mit Transistorradio, einem Laib Brot, zwei Flaschen. Zwei Schläger und ein Federball liegen am Boden. „Adam wartet“, ist die Bleistift- und Kugelschreiberzeichnung betitelt. Neben dieser heiteren Seite im Werk des Künstlers zeigt die Ausstellung „Wolfgang Mattheuer – Jahrhundertschritt. Zeichnungen aus der Sammlung Mathar“ im Würzburger Museum am Dom auch die kritische Seite: Mit riesigem Schritt, vorn übergebeugt, versucht ein Mensch vorwärts zu kommen und tritt doch nur auf der Stelle. Die Konstruktionsskizze des „Sisyphos im Rad“ ist typisch für Mattheuer, den Mitbegründer der „Leipziger Schule“, dessen Werke von 2. Oktober bis 29. November im Zwischengeschoss zu sehen sind: Er spricht in seine Zeit hinein und verweist auf die Kluft zwischen Ideal und Wirklichkeit.

„Unser Museum zeigt viele Kunstwerke aus der ehemaligen DDR. Auch wenn sie nicht in Verdacht stehen, sich der kirchlichen Kunst anzubiedern: Sehr oft geht es bei Werken aus Ostdeutschland um die grundsätzlichen Fragen des Lebens“, erläuterte Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen, Kunstreferent der Diözese Würzburg und Leiter des Museums. Neben Mattheuer gehörten zur Sammlung Gemälde von Werner Tübke oder Volker Stelzmann. „Ich bin dankbar über die Ausstellung mit Zeichnungen von Mattheuer. Was gibt’s frischeres als eine Zeichnung!“, betonte Lenssen. Oft dienten sie als Vorlage für andere Kunstwerke und würden mitunter gering geschätzt. Doch die Kraft und Direktheit der Zeichnungen fehle den Gemälden oder Skulpturen meist.

Einen „sehr schönen Bestand“ nannte Kurator Michael Koller die 43 gezeigten Werke des gelernten Lithographen Mattheuer, der sich selbst als „Bildermacher“ bezeichnete und von dem der Spruch überliefert ist: „Ob es Kunst ist, sollen andere entscheiden.“ Aus 150 Zeichnungen der Privatsammlung von Peter Mathar aus Düren wählte Koller für die Ausstellung im intimen Rahmen des Zwischengeschosses aus.

„Die Werke zeigen deutlich, wie Mattheuer mit der DDR gerungen hat. Er war kein Staatskünstler, er lebte in einer kleinen Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung, wurde von einer großen Zahl von Stasi-Mitarbeitern überwacht“, sagte Mathar. Im Westen aufgewachsen und sozialisiert, sei er künstlerisch eher im Informel zuhause gewesen. Nach einem Fernsehporträt im Jahr 1987 habe er „relativ naiv“ einen Brief an Mattheuer geschrieben und ihn gebeten, eine Zeichnung zu verkaufen. Es entstand ein Briefwechsel, bald darauf kam es zur ersten Begegnung. Nach und nach wurden der Mitarbeiter eines Reha-Zentrums für Blinde und Mattheuer Freunde. „Er hat mir geholfen, mich in der Welt zu verorten“, sagte Mathar, der auch nach dem Tod des Künstlers im Jahr 2004 in engem Kontakt mit dessen Witwe steht.

Die Sammlung entstand zum größten Teil sukzessive durch Geschenke Mattheuers an seinen Freund. „Insgesamt besitze ich 150 Werke, die das gesamte Spektrum der Formate, Techniken und Motive abdecken. Ich kann also behaupten, die größte linksrheinische Sammlung Mattheuers zu haben“, erklärte der Sammler. Ihn fasziniere noch heute die Aufmerksamkeit, mit der sein väterlicher Freund durch die Welt gegangen sei. „Er hatte immer einen Notizblock in der Hosentasche, auf dem er zeichnete, was ihm auffiel, wenn er wanderte oder über die Welt nachdachte.“

Besonders interessant ist die Gegenüberstellung von (Pastell-)Zeichnungen und den späteren großformatigen Ausfertigungen als Ölgemälde. Detailbetonung und künstlerische Eigenständigkeit sind Kennzeichen auch und gerade der vermeintlichen „Rohfassung“. In der Spannung zwischen Natur- und Kunstform entsteht bei Mattheuer sowohl das ästhetische Ereignis als auch das inhaltliche.

(4109/1134; E-Mail voraus)

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