Würzburg (POW) Fast 4000 Kilometer haben Brigitte (50) und Wolfgang Zecher (51) unter die Füße genommen und sind nach Jerusalem gepilgert. „Pilgern lässt einen Land und Leute intensiver erleben und hilft, einen Blick auf die wesentlichen Dinge im Leben zu gewinnen“, sagt das Ehepaar aus Würzburg. Mit mehr als einem halben Jahr Abstand von der Ankunft in der Heiligen Stadt sind die vielfältigen Eindrücke jetzt so weit gesetzt, dass die beiden Pilger bei Vorträgen von der besonderen Reise erzählen, die von Frost in den anatolischen Bergen bis zu über 40 Grad im Jordangraben viele Impressionen zu bieten hatte.
Die Pastoralreferenten im Dienst des Bistums Würzburg sind schon lange Pilger aus Leidenschaft: Auf vier Jahre verteilt waren sie bereits in den 1990er Jahren nach Santiago de Compostela gepilgert. „Wir haben dann von Jesuiten aus der Schweiz gehört, die nach Jerusalem pilgern wollten. Bei Exerzitien haben wir dann den Entschluss gefasst: Das möchten wir auch machen“, sagt Brigitte Zecher. Im Heiligen Land waren die Zechers bis dahin noch nie. „Noch ein guter Grund mehr, aus dem Glauben heraus abseits der gewohnten Wege unterwegs zu sein“, erklärt ihr Mann.
Was folgte, waren umfangreiche Recherchen: Welche Strecken kommen in Frage? Gibt es schon irgendwelche Erfahrungsberichte? Welche Visa sind nötig und auf welche Besonderheiten gilt es zu achten? „Wer nach Syrien einreisen will, darf zum Beispiel keinen israelischen Stempel im Pass haben“, erzählt Wolfgang Zecher. Klar war auch: Zwischendurch wird eine längere Unterbrechung nötig werden, da beide erst im Herbst 2009 ihr Sabbatjahr beginnen konnten und die Winter in Anatolien zu kalt und schneereich sind. Schließlich verfassen die Pilger – ganz in der Tradition mittelalterlicher Jerusalempilger – im Blick auf das Himmlische Jerusalem ihr Testament.
An Mariä Himmelfahrt 2009 beginnt dann das große Abenteuer: Mit möglichst wenig Gepäck im Rucksack und einigen wenigen Adressen von Anlaufstellen unterwegs, machen sich die Zechers auf den Weg. Rund 30 Kilometer planen sie pro Tag zu laufen. Alle acht bis zehn Tage ist ein Rasttag vorgesehen, um körperlich und psychisch frisch zu bleiben. Von Deutschland führt der Weg über Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien bis Mitte November 2009 nach Istanbul. In einer zweiten Etappe ab 15. Februar 2010 läuft das Ehepaar dann von Istanbul aus über Syrien und Jordanien nach Israel. „Wir haben uns Listen mit den wichtigsten Redewendungen in der jeweiligen Landessprache mit genommen. Aber in Syrien sind wir dennoch an unsere Sprachgrenzen gekommen“, sagt Brigitte Zecher.
Im europäischen Teil der Route war vor allem der von Armut und Hoffnungslosigkeit geprägte Südwesten Rumäniens eine besondere Herausforderung. Viel Abfall am Straßenrand und zahlreiche Tierkadaver in den Straßengräben mussten die Pilger über Tage ertragen. „Gottseidank war die Stimmung in Bulgarien deutlich hoffnungsvoller“, sagt Wolfgang Zecher.
Von viel Gastfreundschaft, die sie unterwegs erleben durften, erzählen die beiden Pilger. Unzählig sind die Einladungen auf eine Tasse Kaffee oder Tee, die auf dem langen Marsch an sie ausgesprochen wurden. Sie wurden gerne angenommen, sind doch Tankstellen, an denen man sich einfach mal mit Proviant versorgen kann, in den meisten der bereisten Länder dünn gesät.
Zum Tagesablauf gehört bei den beiden das Gebet, morgens aus dem Stundenbuch „Te Deum“ und während des Tages immer wieder im Laufen und Schweigen. Immer mit eingeschlossen werden die Anliegen, die den beiden mitgegeben werden. „Wir haben gespürt: Wir tragen die Anliegen unserer Freunde im Gebet mit – und sie uns.“ Immer wieder machen die Zechers die Erfahrung: Indem sie sich ganz auf den Weg einlassen, bekommen sie das Notwendige geschenkt. „Als wir mitten im anatolischen Hochland kein Wasser mehr hatten, hält neben uns ein Auto, der Fahrer drückt uns zwei Packungen Orangensaft in die Hand und ist im gleichen Augenblick schon wieder weg“, berichtet Wolfgang Zecher. Seine Frau erinnert sich an eine ähnliche Episode: Nach einer unruhigen Nacht in einem schlechten Hotel marschieren die beiden an einer Gärtnerei vorbei und bekommen Blumen geschenkt.
Meist geben sich die beiden in der Türkei als Touristen aus, die einfach so das Land bereisen. „Wir wurden zuvor gewarnt, nicht zu viel von unserer Glaubensmotivation zu erzählen. Das könnte sonst unter Umständen schnell als Missionierung ausgelegt werden“, erläutert das Paar. Der gewaltsame Tod von Bischof Luigi Padovese, Apostolischer Vikar von Anatolien und Vorsitzender der Bischofskonferenz der Türkei, im Juni habe gezeigt, wie gefährlich Christen mitunter in der Türkei lebten. Bei ihm in Iskenderun hatte das Ehepaar noch die Osternacht mitgefeiert. „Was uns von den neun Wochen in der Türkei in der Erinnerung bleibt, ist die Freundlichkeit und Gastfreundschaft, mit der uns die Menschen dort begegnet sind“, sagt Wolfgang Zecher. Mit einem Ehepaar stehe man bis heute in Kontakt.
In Syrien begleitet die Würzburger Pilger immer ein Schatten: Tagelang haben Zivilpolizisten ein Auge auf die Ausländer, gegen die in Syrien schnell ein Spionageverdacht entsteht. Wiederholt werden die beiden angehalten, müssen ihren Ausweis vorzeigen. Ihr eigentliches Ziel müssen die Pilger aus politischen Gründen geheim halten. „Schlimm fand ich, dass sogar Gastgeber nach unserem Aufbruch von Beamten ausgefragt wurden“, berichtet Brigitte Zecher von für sie besonders belastenden Erfahrungen. Ungewohnt war auch, dass es in Syrien eine fast unüberschaubare Zahl von christlichen Kirchen und Konfessionen gibt.
Die ersehnte Ankunft in Jerusalem – eher unspektakulär und anders als erwartet. „Bis Jericho waren wir auch mental noch mitten auf dem Weg – und plötzlich liegt die Stadt zu unseren Füßen“, schildern die Pilger. Tausende von Heilig-Land-Touristen drängen sich am Ölberg, der Nahostkonflikt ist an allen Ecken greifbar. „Wir waren zunächst einfach traurig, dass der Weg vorbei war.“ Zugleich spürten die Pilger: „Wir sind am Ende dieses Pilgerwegs, aber noch nicht am Ziel. Auch Jerusalem ist nur ein vorläufiges, irdisches Ziel – letztlich sind wir unterwegs zum himmlischen Jerusalem.“
Die wichtigsten, bleibenden Erfahrungen sind für das Pilgerpaar nicht leicht zu formulieren. „Sich auf den Weg einlassen mit seinen vielen Unwägbarkeiten. Vertrauen zu lernen auf das, was der Weg bringt, auf andere Menschen, auf Gott“, versucht Brigitte Zecher auszudrücken, was der Weg für sie bedeutet. Jenseits alles Planbaren und Machbaren ist es die Erfahrung des Beschenktseins, die bei den Pilgern bis heute lebendig ist, und eine große Dankbarkeit für das Erlebte.
Brigitte und Wolfgang Zecher sprechen unter dem Motto „‘Vertrauen lernen‘ – Zu Fuß von Würzburg nach Jerusalem“ bei einem Bildervortrag über ihre Erlebnisse, unter anderem am 20. Januar um 19.30 Uhr im Kloster Oberzell und am 23. Januar um 19 Uhr im Pfarrheim von Lohr-Pflochsbach. Weitere Termine sowie nähere Informationen zur Pilgerreise im Internet unter www.jerusalempilger.de.
mh (POW)
(0111/0032; E-Mail voraus)
Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet